Die Mayfair-Hexen
Grapefruit, Orange. Alles war voll von undefinierbaren Pfützen und Fruchtbrei.
Ihr fiel auf – obwohl sie bemüht war, den Gedanken nicht we i ter zu verfolgen -, daß er mit jedem Tag, der verging, gesünder und besser aussah. Er hatte oben trainiert. Die Ärzte ermutigten ihn dazu. Er mußte gut fünfzehn Pfund zugenommen haben, seit Rowan aufgewacht und aus dem Bett gestiegen war.
»Sie mag es wirklich«, sagte er jetzt, als hätten sie die ganze Zeit über sein Gebräu diskutiert. »Ich weiß es. Bea hat gemeint, es sei zuviel Säure für sie. Aber es deutet nichts darauf hin, daß sie es zu sauer findet.« Er zuckte die Achseln. »Ich weiß es nicht«, sagte er.
»Ich glaube«, sagte Mona, »sie hat meinetwegen aufgehört zu sprechen.«
Sie starrte ihn an, und dann kamen die Tränen, naß und b e ängstigend. Sie wollte nicht zusammenbrechen. Sie wollte keinen solchen Anspruch an ihn stellen, keine solche Szene machen. Aber ihr war jämmerlich zumute. Was zum Teufel wollte sie denn von Rowan? Es war, als müßte sie bemuttert werden, bemuttert von der Empfängerin des Vermächtnisses, die nicht mehr die Kraft hatte, die Linie weiterzuführen.
»Nein, Honey«, sagte er mit einem überaus sanften, tröstenden Lächeln.
»Michael, es ist, weil ich ihr von uns erzählt habe«, sagte sie. »Ich wollte es gar nicht. Es war am ersten Morgen, als ich mit ihr sprach. Die ganze Zeit hatte ich Angst, es dir zu erzählen. Ich dachte, sie wäre nur still. Ich hatte nicht… ich wußte nicht… Danach hat sie nicht mehr gesprochen, Michael. Das stimmt doch, oder? Es war, nachdem ich hier war.«
»Kindchen, quäle dich nicht.« Er wischte ein bißchen, von dem klebrigen Schmadder von der Küchentheke. Er war geduldig, beruhigend, aber er war zu müde für all das, und Mona schämte sich. »Sie hatte bereits am Tag zuvor aufgehört zu sprechen, Mona. Das habe ich dir schon mal gesagt. Hör doch zu.« Er lächelte leise, um zu zeigen, daß er sich über sich selbst lustig machte.
Ihr war plötzlich so kläglich zumute, als sie in der Küche stand, daß ihr die Tränen aus den Augen flössen wie bei einem kle i nen Kind, und ihre Schultern zuckten.
»Honey, sie hat am Tag vorher aufgehört, ich sag’s dir«, wi e derholte er. »Ich kann dir erzählen, was sie als letztes gesagt hat. Wir saßen dort am Tisch. Sie trank Kaffee. Sie meinte, sie würde sterben für eine Tasse New-Orleans-Kaffee. Ich habe ihr eine ganze Kanne voll aufgebrüht. Das war ungefähr zwe i undzwanzig Stunden, nachdem sie aufgewacht war, und sie hatte seitdem überhaupt nicht geschlafen. Das war vielleicht das Problem. Wir haben geredet und geredet. Sie brauchte Ruhe. Sie sagte: ›Michael, ich möchte hinausgehen. Nein, bleib hier, Michael. Ich möchte für eine Weile allein sein.‹«
»Und du bist sicher, daß sie danach nichts mehr gesagt hat?«
»Absolut. Ich wollte anrufen und allen aus der Familie sagen, daß es ihr wieder gutging. Vielleicht habe ich ihr angst g e macht! Ich glaube nicht, daß du ihr weh getan hast, Mona. Ich bezweifle es wirklich. Trotzdem wünschte ich, du hättest es ihr nicht erzählt. Wenn du es wissen mußt: Ich hätte gut darauf verzichten können, daß du ihr erzählst, ich hätte mich mit ihrer Cousine auf dem Wohnzimmersofa der Vergewaltigung einer Minderjährigen schuldig gemacht.« Er zuckte die Achseln. »Frauen tun so was, weißt du. Sie erzählen es hinterher.« Er warf ihr einen hellen, mißbilligenden Blick zu; die Sonne blitzte in seinen Augen. »Wir Männer können nicht darüber reden, aber sie tun es. Der springende Punkt ist allerdings: Ich bezweifle, daß sie dich auch nur gehört hat. Ich glaube… es ist ihr scheißegal.« Er sprach nicht weiter.
Die Flüssigkeit im Glas war schaumig und sah irgendwie eke l erregend aus.
»Es tut mir leid, Michael.«
»Honey, hör auf…«
»Nein, ich meine, mir geht’s prima. Ihr nicht. Aber mir. Soll ich ihr dieses Zeug bringen? Es ist grausig, Michael, ich meine, wirklich grausig. Als ob es absolut ekelhaft schmeckt!«
Mona betrachtete den Schaum und die unirdische Farbe.
»Ich muß es noch verquirlen.« Er setzte den viereckigen Gummideckel auf den Glasbehälter und drückte auf den Knopf. Man hörte das unheimliche Geräusch der kreisenden Klingen, und die Flüssigkeit fing an zu hüpfen.
»Ich habe diesmal viel Brokkolisaft hineingetan«, erklärte er.
»O Gott, kein Wunder, wenn sie das nicht trinkt. Brokkolisaft! Willst du sie
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