Die Mayfair-Hexen
Mary Jane noch gesagt, als sie sich endlich anschickte zu gehen. Sie hatte gegrinst und sich auf den nackten braunen Obersche n kel geschlagen. »Ich will euch was sagen: Vielleicht ist es am besten so, wie es gekommen ist.«
»Du lieber Gott, inwiefern?« hatte Bea gefragt.
»Na, in all den Jahren in dem Heim, da hat sie nie viel gesagt; hat nur mit sich selbst geredet und sich aufgeführt, als ob Le u te da wären, die gar nicht da waren, und so weiter. Und jetzt? Sie weiß, wer sie ist. Sie spricht mit mir, und sie guckt sich die Serien an und versäumt nie eine Sendung von ›Risiko‹ oder ›Glücksrad‹. Also, ihr geht’s prima, macht euch keine Sorgen um sie. Ich bringe ihr Käse und Graham-Cracker mit, wenn ich nach Hause komme, und dann gucken wir uns zusammen den Spätfilm an, oder irgend was auf dem Country-Western-Kanal, das mag sie nämlich auch gern, wißt ihr. Schmalzige Country-Songs, die kann sie alle mitsingen. Zerbrecht euch nicht den Kopf. Ihr geht’s spitze.«
»Ja, Schätzchen, aber eigentlich…«
Mona hatte sie sogar fünf Minuten lang irgendwie ganz gern gehabt, ein Mädchen, das sich so um eine alte Frau kümmern konnte und sich Tag für Tag durchs Leben schlug, mit Hef t pflaster und geklautem Strom.
Mona war mit ihr zur Haustür gegangen und hatte ihr nachgesehen, als sie in ihren Pick-up-Laster gehüpft war, wo die blanken Federn aus dem Beifahrersitz ragten, und dann war Mary Jane in einer blauen Auspuffwolke davongerast.
»Wir müssen uns um sie kümmern«, hatte Bea gesagt. »Wir müssen uns zusammensetzen und sehr bald mal über die A n gelegenheit Mary Jane sprechen.«
Allerdings, hatte Mona ihr beigepflichtet. Die Angelegenheit Mary Jane war eine gute Bezeichnung gewesen.
Und auch wenn dieses Mädchen an Ort und Stelle keine b e merkenswerten Kräfte hatte erkennen lassen, hatte sie doch etwas Aufregendes an sich gehabt.
Mary Jane hatte Mumm, und der Gedanke, sie mit Mayfair-Geld und Privilegien zu überhäufen und zu versuchen, sie zu fördern, hatte etwas Unwiderstehliches.
»Und diese Augen, Michael«, hatte Beatrice gesagt, als sie wieder in den Garten gegangen waren. »Das Kind ist anbetungswürdig! Hast du sie angeschaut? Ich weiß nicht, wie jemals…«
»Du kannst dich nicht um alle kümmern, Bea«, hatte Mona tröstend gesagt. »Ebenso wenig wie Gifford es konnte.« Aber sie würden es natürlich tun. Und wenn Celia und Beatrice es nicht täten, nun, dann würde Mona es tun. Das war eine der schärfsten Offenbarungen dieses Nachmittags: daß Mona jetzt zum Team gehörte. Sie würde nicht zulassen, daß die Träume dieser Kleinen sich nicht erfüllten, nicht solange sie noch Atem in ihrem kleinen, dreizehnjährigen Körper hatte.
»Sie ist auf ihre Art ganz süß«, hatte Celia eingestanden.
»Ja, und dieses Pflaster auf dem Knie«, hatte Michael g e murmelt, ohne nachzudenken. »Was für ein Mädchen, diese Mary Jane. Ich glaube an das, was sie über Rowan gesagt hat.«
»Ich auch«, sagte Beatrice. »Nur…«
»Nur was?« hatte Michael verzweifelt gefragt.
»Nur, was ist, wenn sie sich nie wieder entschließt, zu sprechen?«
»Beatrice, schäme dich«, hatte Celia mit einem vielsagenden Blick auf Michael gesagt.
»Findest du das Pflaster sexy, Michael?« hatte Mona gefragt.
»Nun, äh… ja, ehrlich gesagt. Alles an diesem Mädchen ist sexy, schätze ich. Was geht mich das an?« Er klang relativ aufrichtig und ehrlich erschöpft.
Mona hätte schwören können, daß Rowan an diesem Nachmittag eine Zeitlang anders aussah; ihr Blick war straffer hin und wieder und manchmal offener, als ob sie sich selbst eine Frage stellte. Vielleicht war Mary Janes großartiger Wor t schwall gut für Rowan gewesen. Vielleicht sollten sie Mary Jane noch einmal einladen, aber vielleicht würde sie auch von selbst wiederkommen.
Zwei oder drei Tage lang war es Rowan anscheinend besser gegangen; immer öfter hatte sie dieses kleine Stirnrunzeln sehen lassen, und das war ja schließlich ein Gesichtsausdruck.
Aber jetzt? An diesem stillen, stickigen, sonnigen Nachmittag?
Mona nahm an, daß Rowan einen Rückfall erlitten hatte. Nicht einmal die Hitze machte ihr etwas aus. Sie saß in der feuchten Luft, und die Schweißtropfen traten ihr auf die Stirn, ohne daß Rowan Anstalten gemacht hätte, sie wegzuwischen.
»Bitte, Rowan, sprich mit uns«, sagte Mona in ihrer freimütigen, beinahe frechen Mädchenstimme. »Ich will gar nicht die designierte Erbin des Vermächtnisses
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