Die Mayfair-Hexen
ein Syllogismus?«
Samuel lachte. »Dein Gedächtnis auffrischen? Du hast noch nie gewußt, was ein Syllogismus ist. Was weißt du denn von Philosophie?«
»Zuviel.« Ash versuchte sich zu erinnern. Alle Menschen sind Tiere. Tiere sind wild. Also sind alle Menschen wild.
Er ging ins Schlafzimmer und legte sich auf das Bett.
Einen Augenblick lang sah er wieder die Hexe mit den hübschen Haaren vor sich, Yuris Geliebte. Er stellte sich vor, wie sich ihre nackten Brüste sanft an sein Gesicht schmiegten und wie ihr Haar sie beide umhüllte wie ein weiter Mantel.
Dann schlief er tief. Er träumte, daß er durch das Puppenmuseum in seinem Gebäude ging. Die Marmorfliesen waren eben erst poliert worden, und er konnte die vielen Farben sehen und auch, wie sich Farben verändern, je nachdem, welcher Farbe sie benachbart sind. All die Puppen in ihren Glasvitrinen fingen an zu singen – die modernen, die antiken, die grotesken, die schönen. Die französischen Puppen tanzten und schwenkten dabei ihre kleinen Glockenröcke. Die kleinen, runden Gesichter waren voller Entzücken, und die prächtigen Bru-Puppen, seine Königinnen, seine geliebten Königinnen, sangen mit hohen Sopranstimmen, und ihre Augen funkelten wie Briefbeschwerer im Licht der Leuchtstofflampen. Nie hatte er solche Musik gehört. Er war so glücklich.
Du mußt Puppen machen, die singen können, dachte er in seinem Traum – nicht wie die alten, die schlechte mechanische Spielzeuge waren, sondern Puppen mit elektronischen Stimmen, die ewig singen. Und wenn die Welt untergeht, werden die Puppen noch in den Ruinen singen.
10
»Kein Zweifel«, sagte Dr. Salter und legte die braune Mappe auf den Schreibtischrand. »Aber es ist nicht vor sechs Wochen passiert.«
»Wie kommen Sie darauf?« fragte Mona. Sie verabscheute das kleine Untersuchungszimmer, weil es keine Fenster hatte. Sie hatte das Gefühl zu ersticken.
»Weil der dritte Monat schon fast vorbei ist.« Die Ärztin trat an den Tisch. »Hier, willst du selbst fühlen? Gib mir deine Hand.«
Die Ärztin faßte ihr Handgelenk und legte ihr die Hand auf den eigenen Bauch.
»Fest drücken. Fühlst du das? Das ist das Baby.«
»So schwanger kann ich noch nicht sein. Das ist einfach unmöglich.«
»Geh nach Hause und sieh in deinem Computertagebuch nach, Mona. Es stimmt.«
Mona setzte sich auf und hüpfte vom Tisch herunter; sie strich sich den schwarzen Rock glatt und schob die Füße in die eleganten Schuhe. Überflüssig, die Schnürsenkel auf- und zuzubinden, obwohl – wenn Tante Gifford gesehen hätte, wie sie die Füße in derart teure Schuhe hineinbohrte, hätte sie wahrscheinlich geschrien.
»Ich muß jetzt los«, sagte sie. »Ich werde auf einer Beerdigung erwartet.«
»Doch nicht der arme Mann, der deine Cousine geheiratet hat und von einem Auto überfahren wurde?«
»Doch, der arme Mann. Hören Sie, Annelle, können wir mal eine von den Untersuchungen machen, bei denen man den Fötus sehen kann?«
»Ja, und die wird dir bestätigen, was ich dir sage: daß du schon über die zwölfte Woche hinaus bist. Paß auf, du mußt all die Aufbaustoffe nehmen, die ich dir jetzt gebe. Ein dreizehnjähriger Körper ist noch nicht so weit, daß er ein Kind bekommen kann.«
»Okay. Dann möchte ich jetzt einen Termin für die Untersuchung, bei der wir es uns anschauen können.« Mona ging zur Tür und hatte die Hand schon auf dem Knauf, als sie stehen blieb. »Andererseits, ich glaube, ich möchte es lieber nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß nicht. Lassen wir’s einfach noch ein Weilchen in Ruhe da drin. Solche Tests können einem angst machen, oder?«
»Mein Gott, du wirst ja ganz weiß.«
»Nein, werde ich nicht. Ich falle bloß in Ohnmacht wie die Frauen im Kino.«
Sie ging hinaus, kam durch das kleine, mit Teppichboden ausgelegte Vorzimmer und verließ die Praxis, obwohl die Ärztin hinter ihr herrief. Die schwere Tür schloß sich seufzend hinter ihr, und sie eilte durch das verglaste Foyer.
Der Wagen wartete draußen am Bordstein. Ryan stand mit verschränkten Armen daneben. In seinem dunkelblauen Beerdigungsanzug sah er fast so aus wie immer, nur daß seine Augen jetzt tränten und er offensichtlich sehr müde war. Er öffnete ihr die Wagentür.
»Nun, was hat Dr. Salter gesagt?« Er drehte sich um und musterte sie von oben bis unten.
Sie wünschte wirklich, die Leute würden aufhören, sie zu mustern.
»Ich bin tatsächlich schwanger«, sagte sie. »Aber es ist alles okay.
Weitere Kostenlose Bücher