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Die Mayfair-Hexen

Die Mayfair-Hexen

Titel: Die Mayfair-Hexen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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dann faltete er das Papier zusammen und steckte es in die Tasche.
     
    Im Hotel bestellte er sich ein Abendessen, nahm gleich ein Bad und sah dann geduldig zu, wie die Hotelkellner ihm auf einem leinengedeckten Tisch eine üppige Mahlzeit servierten. Seine Assistenten, darunter auch die hübsche junge Leslie, standen besorgt daneben.
    »Sie werden mir eine andere Unterkunft suchen, sobald es Tag wird«, sagte er zu Leslie. »Ein Hotel, das so schön ist wie dieses hier, aber ich brauche etwas viel Größeres. Ich brauche ein Büro und mehrere Telefonleitungen.«
    Leslie war anscheinend überglücklich über diesen Auftrag und die damit erteilten Vollmachten und zog mit den anderen im Schlepptau davon. Er schickte die Kellner hinaus und machte sich ans Essen: schwere Pasta mit Sahnesauce. Unmengen von kalter Milch und das Fleisch eines Hummers, das er nicht mochte, das aber immerhin weiß war.
    Nachher legte er sich auf das Sofa und lauschte still dem Knistern des Feuers.
    Schließlich kam Samuel herein, so betrunken, daß er taumelte. Er hatte sich die Tweedjacke über die Schulter geworfen, und sein weißes Hemd war zerknautscht. Erst jetzt sah Ash, daß dieses Hemd maßgeschneidert war, wie es auch der Anzug gewesen war, damit es der grotesken Gestalt Samuels paßte.
    Samuel legte sich vor den Kamin, schwerfällig wie ein Wal. Ash stand auf, nahm ein paar weiche Kissen vom Sofa und legte sie Samuel unter den Kopf. Der Zwerg öffnete die Augen – die weiter waren als sonst, wie es schien. Sein Atem duftete nach Alkohol, und er schnaufte. Nichts von alldem stieß Ash ab; er hatte Samuel immer geliebt.
    Im Gegenteil, am liebsten hätte er jedem auf der Welt entgegengehalten, daß Samuel von gemeißelter, felsenhafter Schönheit sei – aber was hätte es genützt?
    »Hast du Yuri gefunden?« fragte Samuel.
    »Nein« sagte Ash; er hockte mit gebeugtem Knie neben Samuel, so daß er fast im Flüsterton mit ihm sprechen konnte. »Ich habe ihn auch nicht gesucht, Samuel. Wo sollte ich hier in London anfangen, ihn zu suchen?«
    »Aye, da hat’s keinen Anfang und kein Ende«, sagte Samuel mit einem tiefen, verlorenen Seufzer. »Ich habe überall, wohin ich gegangen bin, nach ihm gesucht. Pub für Pub. Ich fürchte, er wird versuchen, zurückzufahren. Und die werden versuchen, ihn umzubringen.«
    »Er hat jetzt viele Verbündete«, sagte Ash. »Und einer seiner Feinde ist tot. Der ganze Orden ist in Alarmbereitschaft. Das muß gut sein für Yuri. Ich habe ihren Generaloberen getötet.«
    »Wieso um Gottes willen hast du das getan?« Samuel stemmte sich auf dem Ellbogen hoch und versuchte, sich in eine aufrechte Position zu bringen, aber schließlich mußte Ash ihm dabei helfen.
    Samuel hockte mit angezogenen Knien da und starrte Ash finster an.
    »Ich habe es getan, weil der Mann korrupt war und ein Lügner. In der Talamasca kann es keine Korruption geben, die nicht gefährlich ist. Und er wußte, was ich war. Er hielt mich für Lasher. Er schützte einen Auftrag der Ältesten vor, als ich sein Leben bedrohte. Kein loyales Mitglied des Ordens hätte vor einem Außenstehenden von den Ältesten geredet oder derart durchschaubare Schutzbehauptungen aufgestellt.«
    »Und da hast du ihn umgebracht.«
    »Mit meinen Händen, wie ich es immer tue. Es ging schnell. Er hat nicht viel gelitten, und ich habe viele andere gesehen. Keiner von ihnen wußte, was ich war. Was heißt das also? Die Korruption ist nah an der Spitze, vielleicht ganz oben, und sie ist keineswegs bis zum Fußvolk vorgedrungen, und wenn doch, dann nur in wirrer Form. Sie erkennen einen Taltos nicht, wenn sie ihn vor sich sehen, nicht einmal, wenn man ihnen reichlich Gelegenheit gibt, das Exemplar zu studieren.«
    »Das Exemplar«, sagte Samuel. »Ich will zurück ins Glen.«
    »Willst du mir nicht helfen, damit das Glen sicher bleibt? Damit deine abscheulichen kleinen Freunde tanzen und Flöte spielen und arglose Menschen töten können, um in ihren Kesseln das Mark aus den Knochen zu kochen?«
    »Deine Zunge ist grausam.«
    »Wirklich? Vielleicht.«
    »Was machen wir jetzt?«
    »Ich weiß noch nicht, was der nächste Schritt sein wird. Wenn Yuri bis morgen früh nicht wieder zurück ist, sollten wir wohl besser von hier verschwinden.«
    »Aber mir gefällt es im Claridge’s«, murrte Samuel. Er kippte um, und seine Augen schlössen sich, ehe sein Kopf das Kissen berührte.
    »Samuel, du mußt mein Gedächtnis auffrischen«, sagte Ash.
    »Worüber?«
    »Was ist

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