Die Mayfair-Hexen
leeren Räume des Winters hatten sich gefüllt. Die Wärme hatte alles aufgeschlossen, und sogar die Luft seufzte erleichtert.
Sie stellte sich ans hintere Gartentor und schaute zu Deirdres Eiche hinüber, zu dem Tisch, an dem Rowan gesessen hatte. Frisches, grünes Gras wuchs dort, kräftiger und grüner als das Gras ringsumher.
»Die Geister sind fort«, sagte sie und merkte, daß sie nicht nur mit sich selbst, sondern auch mit dem Baby sprach. »Das ist erledigt. Wir brauchen diese Sachen nicht mehr, du und ich. Nein, nie mehr. Sie sind losgezogen, um den Drachen zu erschlagen, und wenn der Drache tot ist, dann gehört die Zukunft uns – dir und mir -, und du wirst nicht mal wissen müssen, was hier passiert ist. Erst, wenn du erwachsen bist und sehr gescheit. Ich wünschte bloß, ich wüßte, ob du ein Junge oder ein Mädchen bist. Ich wünschte, ich wüßte, welche Haarfarbe du hast – das heißt, wenn du überhaupt schon Haare hast. Ich sollte dir einen Namen geben. Ja, einen Namen.«
Sie beendete ihren kleinen Monolog.
Sie hatte das Gefühl, jemand habe mit ihr gesprochen – jemand ganz in ihrer Nähe hatte etwas geflüstert, nur den winzigen Bruchteil eines Satzes – und es war vorbei, und sie konnte ihn nicht mehr fassen. Sie drehte sich um; ihr gruselte plötzlich. Aber natürlich war niemand in ihrer Nähe. Die Wachleute waren alle am Rand des Anwesens. So lauteten ihre Anweisungen, es sei denn, sie hörten einen Alarm aus dem Haus.
Sie lehnte sich an den eisernen Torpfosten. Ihr Blick wanderte wieder über das Gras und hinauf zu den dicken schwarzen Ästen der Eiche. Das frische Laub brach in minzgrün strahlenden Büscheln hervor. Die alten Blätter sahen staubig und dunkel aus; sie würden bald ganz verdorren und abfallen. Die Eichen in New Orleans waren niemals kahl, dem Himmel sei Dank. Aber im Frühling wurden sie neu geboren.
Sie drehte sich um und schaute nach rechts, zum vorderen Teil des Grundstücks. Ein blaues Hemd blitzte dort durch den Zaun. Es war eine Stille, wie sie sie noch nie erlebt hatte. Vielleicht war ja sogar Eugenia zu Aarons Beerdigung gegangen. Mona hoffte es.
»Keine Gespenster, keine Geister«, flüsterte sie. »Kein Flüstern von Tante Gifford.«
Wollte sie denn wirklich, daß es so etwas gab? Plötzlich, zum erstenmal im Leben, war sie nicht mehr so sicher. Die ganze Vorstellung von Spuk und Gespenstern verwirrte sie plötzlich.
Muß an dem Baby liegen, dachte sie; wahrscheinlich eine von diesen geheimnisvollen geistigen Veränderungen, die einen überkommen, schon in dieser frühen Phase, und einen zu einem sitzenden Dasein anleiten, in dem man keine Fragen stellt. Geister waren jetzt nicht das richtige. Das Baby war alles. Sie hatte am Abend zuvor in ihren neuen Büchern über Schwangerschaft eine Menge über diese körperlichen und geistigen Veränderungen gelesen, und sie hatte noch eine Menge mehr zu lesen.
Der Wind stahl sich durch das Gebüsch wie immer, griff hier und da nach losen Blüten und Blättern und kleinen Blumen, ließ sie über die violetten Steinplatten wirbeln und dann zu Nichts ersterben. Träge Wärme stieg aus dem Boden.
Sie wandte sich um und ging hinein, durch das leere Haus in die Bibliothek.
Sie setzte sich an den Computer und fing an zu schreiben.
»Du wärst kein Mensch, wenn du nicht Zweifel und Mißtrauen empfändest. Wie könntest du dich unter diesen Umständen nicht fragen, ob das Baby in Ordnung ist? Zweifellos hat diese Angst einen hormonellen Ursprung und ist ein Überlebensmechanismus. Du bist kein seelenloser Inkubator. Dein Gehirn wird zwar jetzt mit neuen Chemikalien und chemischen Verbindungen überflutet, aber es ist immer noch dein Gehirn. Sieh dir die Fakten an.
Lasher hat die vorherige Katastrophe von Anfang an gesteuert. Ohne Lashers Eingreifen hätte Rowan vielleicht ein kerngesundes und wunderschönes…«
Sie brach ab. Was hieß das denn – Lashers Eingreifen?
Das Telefon klingelte, erschreckte sie, ja, tat ihr ein bißchen weh. Sie griff hastig danach; sie wollte nicht, daß es noch einmal klingelte.
»Mona hier, bitte sprechen Sie jetzt«, sagte sie.
Am anderen Ende lachte jemand. »Das ist ‘ne verfluchte Art, sich zu melden, Kleines.«
»Michael! Gott sei Dank. Ich bin wirklich schwanger. Dr. Salter sagt, es gibt absolut keinen Zweifel.«
Sie hörte ihn seufzen. »Wir lieben dich, Sweetheart.«
»Wo seid ihr?«
»Wir sind in irgendeinem schrecklich teuren Hotel in einer Suite im französischen
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