Die Mayfair-Hexen
Stil, mit lauter Möbeln aus Obstbaumholz, die auf den Zehenspitzen stehen. Yuri geht es gut; Rowan untersucht gerade seine Schußwunde. Sie hat sich entzündet. Du mußt noch warten, bevor du mit ihm sprechen kannst. Er ist übererregt und redet ein bißchen wirr, aber sonst fehlt ihm nichts.«
»Ja, klar. Ich will ihm jetzt auch nichts von diesem Baby erzählen.«
»Nein, das wäre ganz und gar nicht gut.«
»Gib mir eure Nummer.«
Er gab sie ihr. »Honey, ist alles in Ordnung mit dir?«
Da geht’s schon wieder los. Sogar er merkt, daß du dir Sorgen machst.
Vorsichtig jetzt.
»Yeah, mir geht’s prima, Michael. Hat Ryans Büro eure Nummer?«
»Wir werden nicht verschwinden, Honey.«
Sie merkte, daß sie auf den Monitor starrte, auf die Fragen, die sie so intelligent und logisch aufgelistet hatte:
Wie schnell ist Rowans Schwangerschaß vorangeschritten? Gab es Anzeichen für eine beschleunigte Entwicklung?
Michael würde die Antworten kennen. Nein, laß dir nichts anmerken.
»Ich muß jetzt aufhören, Honey. Ich rufe später wieder an. Wir lieben dich alle.«
»Bis bald, Michael.«
Sie legte auf.
Lange saß sie so da, und dann fing sie an, eilig zu tippen.
»Es ist zu früh, um ihnen dumme Fragen über dieses Baby zu stellen, zu früh, um eine Angst zu entwickeln, die sich auf deine Gesundheit und deinen Seelenfrieden auswirken könnte, zu früh, um Rowan und Michael zu beunruhigen, die im Moment viel wichtigere Dinge im Kopf haben…«
Sie brach ab.
Neben ihr hatte jemand geflüstert! Es war, als stehe jemand unmittelbar neben ihr. Sie sah sich um, stand auf, ging durch das Zimmer und schaute dann zurück, um sich dessen zu vergewissern, was sie bereits wußte: Es war niemand da gewesen, keine schleierzarten Geister, nicht einmal ein Schatten. Dafür hatte die Leuchtstofflampe auf dem Schreibtisch gesorgt.
Die Wachmänner draußen in der Chestnut Street? Vielleicht. Aber wie sollte sie sie durch halbmeterdicke, solide Ziegelmauern flüstern hören?
Minuten tickten vorüber.
Hatte sie Angst, sich zu rühren? Das ist doch verrückt, Mona Mayfair. Wer, glaubst du, ist es dann? Gifford? Oder deine eigene Mutter? Ist Onkel Julien wieder da? Hat er nicht langsam ein bißchen Ruhe verdient? Vielleicht spukte es ganz schlicht in diesem gottverdammten Haus, immer schon, alle möglichen Geister – ein Zimmermädchen von 1859, oder ein Kutscher, der 1872 durch einen tragischen Sturz vom Dach ums Leben gekommen war. Könnte doch sein. Die Familie schrieb ja nicht alles auf.
Mona fing an zu lachen.
Proletarische Geister im Hause der Mayfairs in der First Street? Geister, die nicht mal mit ihnen verwandt waren? Junge, was für ein Skandal! Nein, nein, hier waren überhaupt keine Geister.
Sie betrachtete den vergoldeten Rahmen des Spiegels, den Kaminsims aus dunkelbraunem Marmor, die Regale mit den alten, zerbröckelnden Büchern. Ruhe senkte sich auf sie, behaglich und hübsch. Ich liebe dieses Zimmer am meisten, dachte sie, kein Geistergrammophon spielte, und im Spiegel waren keine Gesichter. Du gehörst hierher. Du bist in Sicherheit. Du bist zu Hause.
»Ja, du und ich, Kleines«, sagte sie zu dem Baby. »Das hier ist jetzt unser Haus, mit Michael und Rowan. Und ich verspreche dir, ich werde mir einen interessanten Namen ausdenken.«
Sie setzte sich wieder und tippte weiter, so schnell wie vorher.
»Nerven überreizt. Bilde mir alles mögliche ein. Proteine essen, Vitamin C für die Nerven und den Allgemeinzustand. Höre Stimmen, die mir ins Ohr flüstern, klingt wie… klingt wie, bin unsicher, aber ich glaube, es klingt wie jemand, der singt oder summt! Geht einem irgendwie auf die Nerven. Könnte ein Geist sein, aber auch Vitamin-B-Mangel.
Aarons Beerdigung ist jetzt im Gange. Dies trägt zweifellos zu einer allgemeinen Schreckhaftigkeit bei.«
11
»Sie sind sicher, daß es ein Taltos war?« fragte Rowan. Sie hatte das Verbandszeug und das Antiseptikum weggeräumt und wusch sich die Hände. Sie stand in der Badezimmertür der Suite und beobachtete Yuri, wie er auf und ab ging, eine dunkle, langgliedrige und unberechenbare Gestalt vor den sorgsam gefältelten Seidendrapagen und dem Überfluß an Blattgold im Zimmer.
»O Gott, Sie glauben mir nicht! Es war ein Taltos.«
»Es könnte ein Mensch gewesen sein, der Grund hatte, Sie zu täuschen. Die Größe allein muß nicht unbedingt bedeuten…«
»Nein, nein, nein.« Yuris Ton war immer noch so aufgebracht und manisch wie am Flughafen,
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