Die McKettricks aus Texas: Über alle Grenzen (German Edition)
In seiner Zeit musste man vom Planwagen springen, um das Tor zu öffnen und wieder zu schließen. Oder man musste sich mindestens aus dem Sattel herunterbeugen, um den Riegel wegzuschieben.
Bei dem Gedanken an Clay und dessen Mühen, das Land erst zu kaufen und dann die Ranch darauf aufzubauen, fühlte Austin sich gleich ein bisschen besser. Welche Dämonen diesen altmodischen Cowboy auch verfolgt haben mochten – er war nie gewichen. Clay stand mit beiden Beinen fest auf dem texanischen Boden und stellte sich jedem Problem.
Kämpfte jeden Kampf.
Liebte seine Frau, zog seine Kinder groß und lebte lange genug, um die meisten Kinder seiner Enkel noch kennenzulernen.
Clay lief nicht weg. Er tat, was getan werden musste, und hinterließ ein Erbe.
Austin musste es ihm gleichtun, wenn er ein McKettrick war. Tate und Garrett hatten alle Hände voll zu tun mit der Ranch, besonders angesichts der Viehdiebstähle. Es reichte nicht, dass Austin sich um die kranke Stute kümmerte. Er musste seinen Anteil an der Arbeit leisten, ob sein Rücken nun verletzt war oder nicht.
Was Paige betraf, so würde er sich schon etwas einfallen lassen. Er würde einfach die weitere Entwicklung abwarten. Ihr aus dem Weg zu gehen war so gut wie unmöglich. Immerhin heirateten ihre beiden Schwestern in seine Familie ein. Aber vielleicht war das gar nicht so schlecht. Sicher, er begehrte Paige. Nur brachte ihn jedes zweite Wort aus ihrem Mund auf die Palme.
Große und dauerhafte Nähe würde die körperliche Anziehung vermutlich noch verstärken. Zumindest galt das fürihn und für den Fall, dass sie seine private Krankenschwester würde. Doch früher oder später würden sie sich gegenseitig auf die Nerven gehen, und das würde ungefähr wie eine Impfung wirken.
Er wäre dann immun gegen Paige und sie gegen ihn. Damit wären alle Probleme zwischen ihnen gelöst. Sie würden friedlich miteinander umgehen können, wie vernünftige Erwachsene – ohne sich ständig gegenseitig an die Kehle zu gehen oder miteinander im Bett zu landen und sich um den Verstand zu vögeln.
Eine Entscheidung zu treffen, auch wenn es eine so komplizierte war, beruhigte Austin ungemein. Allerdings war nicht abzusehen, wie lange das anhalten würde.
Wahrscheinlich nur, bis er Paige wieder über den Weg lief. Momentan jedenfalls galt seine Aufmerksamkeit möglichen Eindringlingen, die unter Umständen bewaffnet waren und dort draußen auf dem Ölfeld nichts Gutes im Schilde führten.
Er und Shep fuhren auf sie zu.
Die Silver Spur Ranch erstreckte sich meilenweit zu beiden Seiten der Straße. Aber das stillgelegte Ölfeld mit den rostigen Fördertürmen war nicht weit.
Austin fuhr ungefähr eine halbe Meile, dann schaltete er die Scheinwerfer aus und lenkte den Pick-up auf einen alten Viehweg. Am Himmel leuchtete der Vollmond, sodass er auch ohne Licht gut sehen konnte. Er kam an ein weiteres Tor, doch dieses war ein altmodisches aus Stacheldraht auf verwitterten Holzbalken.
Er hielt an, stieg aus und öffnete das Gatter. Danach fuhr er weiter über die holprige Straße. Er beschloss, das Gatter erst auf dem Rückweg wieder zu schließen. Er bückte sich und schob die Hand unter den Fahrersitz.
Seine 357er lag an ihrem Platz.
Er ließ die Waffe, wo sie war. Sie war praktisch, aber ungeladen.
Langsam rollte der Wagen im schwachen Mondlicht weiter. Früher war er mehr „Cowboy“ gewesen, was Waffen anging.Da waren ihm Patronen in der Kammer lieber gewesen, für alle Fälle. Aber wegen der Kinder auf der Ranch waren gewisse Vorsichtsmaßnahmen einfach unerlässlich. Bis auf sehr wenige Ausnahmen – wie seine 357er – wurden sämtliche Schusswaffen auf der Silver Spur Ranch in einem Tresor aufbewahrt. Und die Zahlenkombination wurde regelmäßig geändert.
Die in der Dunkelheit aufragenden Bohrtürme erinnerten ihn an Dinosaurier. Austin hielt die ganze Zeit Ausschau, sah das Licht aber nicht mehr aufflackern. Wahrscheinlich waren er und Shep umsonst losgefahren. Aber wenigstens würde er auf diese Weise nicht die halbe Nacht grübelnd wach liegen.
Er lachte bitter. Er hätte über Paige nachgedacht und sich ausgemalt, wie es wäre, wieder mit ihr zu schlafen. Jetzt, wo er ein Mann war, kein Junge mehr. Und sie eine Frau und kein Mädchen.
Auf einmal wurde Shep unruhig. Seine Nackenhaare sträubten sich, und er trat mit den Pfoten auf dem Beifahrersitz herum. Dazu gab er einen Laut von sich, der eine Mischung aus Winseln und Knurren war.
Im nächsten
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