Die McKettricks aus Texas: Über alle Grenzen (German Edition)
abnahm.
Vorsichtig und unter einigen Schwierigkeiten gelang es ihm, sich ein blaues Arbeitshemd anzuziehen. Den linken Ärmel ließ er einfach leer herunterbaumeln, obwohl es ihm ziemlich peinlich war, dass er das Hemd nur halb anziehen konnte.
Dafür schaffte er es, in ein altes zerschrammtes Paar Stiefel hineinzukommen. Wahrscheinlich, weil er sie schon so lange besaß, dass sie bereits anfingen auseinanderzufallen.
In seinen Augen war das eine insgesamt eher dürftige Leistung, aber ein Mann musste sich mit dem begnügen, was er bekommen konnte.
Bei dem Gedanken an Paige musste er grinsen. Er erinnerte sich noch lebhaft, wie sie sich an ihn geschmiegt und lustvolle Laute von sich gegeben hatte. In diesem Fall war es nicht darum gegangen, was ein Mann bekommen konnte, sondern was er geben konnte.
Da er zusätzlich zu seinem übrigen Kummer nicht auch noch eine Erektion gebrauchen konnte, richtete Austin seine Gedanken auf etwas völlig anderes: die Liste der Dinge, die er noch erledigen musste.
Nachdem er sein Rasierzeug, Kleidung zum Wechseln und das Buch zusammengesucht hatte, ging er wieder nach unten. In dem Buch hatte er gelesen, bevor der Arzt ihm die vielen Medikamente verschrieben hatte.
Er befreite Shep aus der Speisekammer, verstaute seine Sachen und betrachtete den Buchumschlag. Lesen war eine echte Aufgabe für ihn – als Kind war bei ihm ADHS diagnostiziert worden. Aber er wollte Bücher mögen, genau wie seine Brüder. Und darum gab er nicht auf.
Selbst wenn es dauern würde, bis er hundert war.
Er stellte das Taschenbuch, einen Western, ins Regal und ging in die Küche. Nachdem er sich eine Jacke halb angezogen hatte, trat er in den kalten sonnigen Morgen hinaus. Shep begleitete ihn humpelnd.
Reese und Tom arbeiteten wieder im Stall, zusammen mit Ron Strivens, dem Vater von Julies Lieblingsschülerin. Garrett hatte Strivens persönlich als Ranchhelfer eingestellt. Er hatte dafür gesorgt, dass der Witwer und seine drei Kinder in einen Wohnwagen auf der Silver Spur Ranch einziehen konnten. Der Mann war ruhig, blieb meist allein und war sein Gehalt allemal wert.
Tate beabsichtigte, Strivens im neuen Jahr zum stellvertretenden Vorarbeiter zu machen. Bisher schien Ron damit zufrieden zu sein, ein regelmäßiges Einkommen, ein Zuhause und eine Krankenversicherung für seine Familie zu haben.
Reese nickte Austin zu und fuhr mit dem Ausmisten der Boxen fort. Tom war auf dem Heuboden und warf Heuballen auf die Ladefläche eines Pick-ups, der rückwärts vor dem Stalltor geparkt war. Im Frühjahr und Sommer gab es reichlich Gras auf den Weiden. Aber im Herbst wurde es langsam spärlicher. Darum mussten sie Futter an verschiedene Stellen auf der Ranch fahren.
Strivens stand in Mollys Stall und trug Salbe auf die rasch heilenden Wunden der Stute auf. Nachdem er eingestellt worden war, hatte er sich den Bart abrasiert und die Haare schneiden lassen. Er kam stets pünktlich zur Arbeit, bei Sonne und Regen, ob er sich gut fühlte oder nicht. Und er erschien nicht nur pünktlich, sondern immer einige Minuten vor Arbeitsbeginn. Seine Kleidung war hier und da geflickt, aber immer sauber. Er machte einen schüchternen Eindruck, war aber freundlich.
Austin mochte ihn.
„Guten Morgen“, begrüßte er ihn und warf einen Blick in die Box.
Strivens lächelte zögernd und nickte ihm zu. „Guten Morgen“,erwiderte er und wischte sich die Hände an der Hemdbrust ab, nachdem er Molly mit Salbe eingerieben hatte.
Eine Bewegung, die er aus dem Augenwinkel wahrnahm, lenkte Austin ab. Tom und Cliff Pomeroy standen am anderen Ende des Stalls. Die beiden schienen eine ernste Unterhaltung zu führen, denn sie gestikulierten wild. Doch Austin konnte nicht verstehen, worum es bei dem Gespräch ging.
Er bedankte sich bei Strivens dafür, dass er sich um Molly kümmerte. Dann machte er sich auf den Weg zum gegenüberliegenden Stalltor.
Als er näher kam, wurde Cliff rot und setzte ein Lächeln auf. Tom nickte Austin zur Begrüßung nur kurz zu und machte sich wieder an die Arbeit. Laut Tate war Tom jemand, der nicht lange an einem Ort blieb. Solche Männer tauchten aus dem Nichts auf, wollten einen Job und kündigten bald wieder. Sie arbeiteten gerade hart genug, um über die Runden zu kommen. Nach dem ersten oder zweiten Gehaltsscheck verschwanden sie meistens wieder.
„Hallo, Cliff“, sagte Austin.
Als Cliff Austins Armschlinge bemerkte, veränderte sich sein Gesichtsausdruck kaum merklich. „Dad wollte
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