Die McKettricks aus Texas: Über alle Grenzen (German Edition)
Dabei wäre sie so gern leichtsinnig gewesen.
„Ich würde gern erfahren, wie die Arbeit am Haus vorangeht“, erklärte sie. „Du weißt schon, mal nach den Handwerkernsehen. Aber das kann warten. Wir könnten nach dem Abendessen vorbeifahren.“
„Am Haus?“, fragte Austin.
Natürlich wusste er nichts davon, dass sie das Haus ihres Vaters renovierte. Sie wollte dort einziehen, sobald Austin keine Krankenschwester mehr benötigte und sie endlich ihren neuen Job in der Blue River Clinic antreten konnte.
Nach zehn Jahren in verschiedenen Wohnungen hatte sie sich darauf gefreut, wieder in ihr Elternhaus zurückzukehren. Eigenartigerweise fühlte sie sich nun bei dieser Vorstellung einsam.
Auf einmal sah sie alles schon genau vor sich. Nachdem sie ein paar Jahre allein gelebt hatte, würde sie ziemlich eigenbrötlerisch werden, wahrscheinlich ihre vierzehnte Katze adoptieren und anfangen, Sachen zu stricken. Zum Beispiel Golfschlägerwärmer.
Die verrückte Tante Paige würde Calvin sie nennen. Aber vermutlich in liebevollem Ton. Trotzdem, wenn sie gerade nicht hinsah, würde er die Augen über sie verdrehen. Und zum erfolgreich beendeten Studium würde sie ihm Golfschlägerwärmer voller Katzenhaare schenken.
Diese Vorstellung war so trostlos, dass Paige laut stöhnte.
„Paige?“, sagte Austin. „Hallo?“
Sie blinzelte und kehrte erleichtert in die Gegenwart zurück. „Wie bitte?“
„Welches Haus?“, wiederholte er seine ursprüngliche Frage.
„Das Haus meiner Familie.“ Paige hoffte, dass sie einigermaßen normal klang. „Das Haus, in dem Libby gewohnt hat, bevor sie sich mit Tate verlobt hat.“
„Oh!“ Austin öffnete die Fahrertür. „Ja, ich erinnere mich.“
Das solltest du auch, dachte sie. Du hast mich damals nämlich fast jeden Freitag- und Samstagabend abgeholt.
„Gehen wir rein und hören uns an, was der Doktor über deine Schulter zu sagen hat“, meinte sie und stieg aus, bevor er um den Wagen gehen und ihr die Tür aufhalten konnte. Denn genau das hätte er getan, weil seine SüdstaatenmamaSally McKettrick ihm Manieren beigebracht hatte.
Zu schade, dass es ihm an einer anderen Tugend mangelte, die seine Mutter und sein Vater ihm vorgelebt hatten: Tu stets das Richtige. Wenn du eine Beziehung mit einer Frau eingehst, sei ihr treu. Missbrauche ihr Vertrauen nicht.
„Ich bin erstaunt, dass dich das interessiert“, bemerkte Austin ohne eine Spur von Sarkasmus. Er schien tatsächlich verblüfft – und ein bisschen aus dem Konzept gebracht.
Gut, dachte sie.
Dr. Colwin stand zufällig in der Lobby, als sie hereinkamen. Er schien erfreut, Austin auf den Beinen zu sehen.
Er und Austin schüttelten einander die Hand, während Paige danebenstand und plötzlich verlegen wurde. Sie hatte unbedingt wissen wollen, wie es Austin ging. Aber sie war Austins Krankenschwester, nicht seine Mutter. Und das bedeutete, dass er sie hier vermutlich lieber nicht dabeihätte, schon gar nicht bei der Untersuchung.
Allmählich dämmerte ihr, dass er ihr genau aus diesem Grund den Wagenschlüssel angeboten hatte.
Sie tat, als wäre sie schwer damit beschäftigt, eine der auf dem Tisch aufgefächerten Zeitschriften auszuwählen. Anschließend probierte sie zwei verschiedene Stühle aus, bevor sie sich für einen Platz entschied, der dem Empfangstresen gegenüberlag.
All das verfolgte Austin mit leicht belustigter Miene, bevor er zusammen mit Dr. Colwin im Untersuchungs- und Behandlungsbereich verschwand.
Paige schaffte es nicht, sich auf die Zeitschrift zu konzentrieren, die sie ausgesucht hatte. Sie legte sie beiseite und hielt Ausschau nach einer der Krankenschwestern oder einem Labor- und Röntgentechniker, mit denen sie bald zusammenarbeiten würde.
Eigentlich hielt sie nicht viel von Geplauder. Aber heute fühlte sie sich wie nach einem längeren Aufenthalt in Isolationshaft. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie die Ranch seitTagen nicht mehr verlassen hatte und ihre beiden Schwestern ständig zu tun gehabt hatten.
Nachdem Dr. Colwin und Austin gegangen waren, kam ihr der Empfangsbereich verwaist vor. Aber dann tauchte Mary Kate Dorten aus dem Flur auf, der zu den Toiletten führte. Sie stammte aus Blue River, genau wie Paige, doch wegen des Altersunterschieds – Mary Kate war in Libbys Klasse gegangen – waren sie nur flüchtige Bekannte.
Da Paige ihren Schwestern immer sehr nahegestanden hatte, hatte sie nie das Bedürfnis verspürt, viele Freundinnen zu haben. Das änderte sich
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