Die Medica von Bologna / Roman
Streckübungen machen, das wirkt manchmal Wunder.«
»Ja, vielleicht«, sagte ich, weil mir nichts anderes einfiel.
»Oder sie versucht es mit einer Einreibung des diesjährigen Theriaks«, schaltete Gaspare sich ein.
»Das wäre eine Idee«, sagte Colberti.
Bevor die Unterhaltung ganz einschlief, machte ich einen Versuch, sie zu beleben. »Sind denn dieses Jahr die Heilkräuter
amomum
und
costus
darin? Professor Aldrovandi scheint große Stücke auf diese Drogen zu halten.«
Colberti fuhr sich durch seine Mähne. »Da habt Ihr den Finger in die Wunde gelegt, Schwester! Diese Drogen sind ein ewiger Zankapfel zwischen ihm und uns Apothekern. Er will unbedingt, dass sie beigegeben werden, und wir wollen es verhindern.«
»Aber warum denn?«
»Die Antwort ist einfach: Weil diese beiden Kräuter noch niemals in einen Theriak gelangten, und das wird, Gott sei Dank, auch dieses Jahr wieder so sein.«
Ich schwieg daraufhin, denn ich wollte mich nicht in einen schwelenden Streit einmischen. Colberti aber fuhr fort: »Ich schätze Professor Aldrovandi sehr, seine Qualitäten als Wissenschaftler sind über jeden Zweifel erhaben, ebenso wie ich einsehe, dass er als Protomedico die Autorität der Universität wahren und ihre Rechte verteidigen muss. Aber, wenn die Bemerkung gestattet ist: Gerade weil er für die althergebrachten Rechte streitet, sollte er nicht an ihnen rütteln und sie durch neue Kräuterbeigaben aufzuweichen versuchen.«
»Ich bin sicher, der Professor hat gute Gründe für seinen Vorschlag«, sagte Gaspare beschwichtigend.
»Das mag sein, aber der Professor ist, bei allem Respekt, nur ein Inspizient. Die eigentliche Arbeit machen wir, die Apotheker, und wir dürfen dafür nicht einmal den Preis des Gebräus festsetzen, weil der Gonfalonier und die Ältesten diesen Anspruch für sich erheben. Ich bin nur ein Farmacista, der nicht die Künste studiert hat, aber ich frage mich, warum ein Professor wie Ulisse Aldrovandi, der sich nur nach Tatsachen richten will und die unvoreingenommene Prüfung der Natur auf seinen Schild hebt, plötzlich zwei neue Kräuter in den Jahrestheriak werfen will. Es muss doch sonst bei den Rezepturen immer alles beim Alten bleiben. Was meint Ihr, Dottore, habe ich nicht wenigstens ein bisschen recht?«
»Hat nicht auch Aldrovandi ein bisschen recht, wenn er etwas Neues ausprobieren will?«
»Nun, Dottore …«
»Wenn beide Seiten ein bisschen recht haben, haben beide Seiten auch ein bisschen unrecht. So viel steht fest.«
»Ist das wieder eine Eurer aristotelischen Weisheiten, Dottore?«
Gaspare lachte. »Nein, es ist nur der Versuch, Euch deutlich zu machen, dass Schwester Carla und ich die Falschen für Eure Klagen sind. Professor Aldrovandi ist mein Freund, und zwischen Euch und mir besteht ebenfalls ein gutes Verhältnis. Lasst mich also aus diesem Zwist heraus. Vielleicht ergibt sich ja irgendwann eine Lösung.«
»Ja, vielleicht, Dottore.« Colberti fuhr sich durch seine Löwenmähne und blickte mich an. »Manch einem mag diese Auseinandersetzung vielleicht lächerlich vorkommen, Schwester, aber es geht immerhin um den wirksamsten Trank, den die Medizin je hervorgebracht hat. Der Theriak ist
panacea, antidotum, arcanum, electuarium, mithridatum
und
balsamum vitalis
in einem, nichts kommt seiner Bedeutung gleich – auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Ohne den Verkauf des Theriaks könnte ich meine Apotheke schließen.«
»Natürlich, Signore«, sagte ich, obwohl ich das Gefühl hatte, nicht mitreden zu können.
»Der Verkauf meiner Vipern lief auch nur schleppend. Nun ja, ich muss wieder zurück zu meinem Stand neben dem rechten Kessel. Es war schwierig genug, ihn zu erobern. Noch ist nicht aller Tage Abend, und vielleicht findet sich ja doch ein Käufer für meine übrige Ware.«
Colberti grüßte und verschwand in der Menge.
Wenig später war auch Gaspare plötzlich verschwunden. Ich bekam einen furchtbaren Schreck, ermahnte mich aber, ruhig zu bleiben. Ich hatte niemandem etwas getan, und niemand würde mir etwas tun. Eine Zeitlang streifte ich ziellos über den karmesinroten Damastgrund, bis ich Gaspare entdeckte. Er stand wieder an der Stelle in der Hofloggia, von der aus wir anfangs das turbulente Treiben verfolgt hatten, und unterhielt sich mit seiner Mutter.
Einen Augenblick zögerte ich, dann fasste ich mir ein Herz und kämpfte mich durch das Gedränge nach oben in die Loggia. Als ich die beiden erreicht hatte, wartete ich, bis sich eine Pause in
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