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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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halten und dabei wie Schalen einer Zwiebel sind, die sich um die Erde legen. Mehr als ein Mal schaute ich deshalb in den sternenklaren winterlichen Himmel Bolognas, konnte aber nichts dergleichen entdecken. Ein wenig enttäuscht legte ich daraufhin Aristoteles beiseite.
    Im Frühling des Jahres 1575, als das ganze Universitätsviertel nach den Kräutern für den neuen Theriak duftete, kam Wehmut in mir auf. Nie wieder würde ich Gelegenheit haben, das bunte Treiben im Hof des Archiginnasios zu erleben. Meine Melancholie verstärkte sich noch, als ich eines Tages feststellte, dass meine Gesichtshaut juckte und brannte. Ein paar Tage lief ich herum und unternahm nichts, denn einen Blick in
brutto nemico
brachte ich nicht über mich. Schließlich kam ich darauf, dass die Bleiweißschicht, die ich mir jeden Tag ins Gesicht salbte, schuld daran sei. Sie hatte meine Haut vergiftet. Ich versuchte daraufhin, die Beschwerden zu beheben, indem ich Kamillendampfbäder nahm, doch es stellte sich keine deutliche Besserung ein. Auch die tüchtige Schwester Marta, der ich mich anvertraute, wusste keinen Rat.
    Meine Gemütslage war ziemlich verzweifelt, als der Tag der Theriak-Herstellung anbrach und alle Bilder des vergangenen Jahres wieder in mir hochstiegen. Ich dachte mit einer Mischung aus Trauer und Wut an Gaspare, aber auch an Professor Aldrovandi und an Cristoforo Colberti, den Farmacista und Besitzer der Apotheke Del Monte.
    Als ich mit meinen Gedanken bei Cristoforo Colberti angekommen war, schoss mir eine Idee durch den Kopf. Vielleicht kann er mir helfen?, fragte ich mich. Ich beschloss, ihn aufzusuchen.
    Ich hatte Glück und traf ihn gleich beim ersten Mal in seinem Laden an. »
Buongiorno,
Signore«, sagte ich, versteckt hinter meinem Schleier, »ich weiß nicht, ob Ihr Euch an mich erinnert?«
    Colberti fuhr sich mit der Hand durch seine Löwenmähne, musterte mich und sagte dann: »Wenn mich nicht alles täuscht, seid Ihr die junge Dame, die ich letztes Jahr an der Seite von Doktor Tagliacozzi kennenlernte, stimmt’s?«
    »Ihr habt ein gutes Gedächtnis, Signore.«
    »Worauf ich mir nicht wenig einbilde.« Colberti gestattete sich ein Lächeln. »Ihr habt mir im Hof des Archiginnasios eine Viper abgekauft, eine männliche, wenn ich mich nicht irre. Vermutlich für Doktor Tagliacozzi, den Meister der Zergliederungskunst.«
    »Ja«, sagte ich, »so ist es.«
    »Was führt Euch zu mir?«
    Ich erzählte ihm von der Bleiweißvergiftung und zeigte ihm notgedrungen mein Gesicht mit der
voglia di vino.
    »Deshalb also tragt Ihr den Schleier, ich fragte mich schon, warum. Was habt Ihr selbst schon gegen das Leiden unternommen?«
    »Ich habe es mit Kamillendampfbädern versucht, Signore. Leider mit wenig Erfolg.«
    »Und hat Euch Doktor Tagliacozzi etwas Zusätzliches empfohlen?«
    »Nein, nichts.«
    »Das wundert mich, aber es geht mich nichts an. Nun, mit der Intoxikation durch Bleiweiß ist nicht zu spaßen. Die Haut verträgt dieses Kosmetikum ebenso wenig wie Quecksilber. Ich empfehle Euch, das Übel von zwei Seiten anzupacken. Nehmt einerseits apulisches Olivenöl, es ist das Beste, was man kriegen kann, besonders, wenn es südlich von Bari stammt. Die Früchte sollen durch Auskämmen mit der Hand geerntet werden, wobei über jeden Finger ein Ziegenhorn gestülpt sein muss. Dieses Öl massiert Ihr täglich in Eure Gesichtshaut ein. Das apulische Öl beruhigt und besänftigt die Oberfläche. Andererseits rate ich zur Beschleunigung des Heilprozesses durch Akzeleration des Blutflusses unter der Haut. Eine geschmeidige Salbe auf Wollfettgrundlage mit untergemischtem Pfeffermehl mag hier das Mittel der Wahl sein.«
    »Und Ihr seid sicher, dass die Arzneien wirken?«
    »Aber Schwester Carla!« Colberti wirkte leicht gekränkt.
    »Bitte, nennt mich nicht Schwester.«
    »Nanu, warum denn nicht?«
    »Es … es klingt so förmlich. Sagt einfach Carla oder Signorina zu mir, wenn es Euch recht ist.«
    »Natürlich. Hier, nehmt Eure Medikamente. Der Weg zur Gesundung Eurer Haut wird im Übrigen kein kurzer sein. Kommt deshalb in regelmäßigen Abständen zu mir, damit ich prüfen kann, ob die Arzneien verändert oder verstärkt werden müssen.«
    »Ja, Signore.«
    »Ihr werdet für die Therapie bezahlen müssen, doch vergesst nicht, dass dies keine ärztliche Behandlung ist. Ich gebe Euch einen guten Rat, mehr nicht. Anderenfalls käme ich mit den strengen Gesetzen meiner Zunft in Konflikt.«
    »Ja, sicher, Signore.«
    »Und

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