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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Priester Ausschau zu halten, damit die Herrin der Sterbesakramente teilhaftig werden kann. Leider gibt es in diesen Tagen kaum noch Priester, denn auch vor ihnen und ihren Gebeten macht die Geißel nicht halt.« Und mehr zu sich selbst fügte er an: »Mein Gott, wo soll das alles enden.«
    Dann zog er sich rasch zurück.
    Ich blieb allein mit meinem Frühstück, hatte keinen Hunger und wusste nichts mit mir anzufangen. Schließlich aß ich das Ei und stellte fest, dass es sehr gut war, nicht zu hart und nicht zu weich. Nachdem ich es gegessen hatte, starrte ich auf den Rest der Speisen, doch ich sah sie nicht, ich hatte immer nur das Bild vor Augen, wie Doktor Sangio am Bett seiner sterbenden Frau saß. Ob er alles Menschenmögliche unternommen hatte, sie zu retten? Sicher, natürlich hatte er das. Es musste furchtbar für ihn sein, neben der Trauer um seine Frau auch noch die ärztliche Niederlage zu ertragen. Wie konnte ich ihm helfen? Konnte ich ihm überhaupt helfen? Wohl kaum, lautete die ernüchternde Antwort. Ich konnte ihm nur mein Beileid aussprechen. Jetzt gleich.
    Ich stand auf, richtete mir das Kleid und die Haare, rückte Barett und Schleier zurecht und machte mich auf die Suche nach ihm. Ich schaute in viele leere Zimmer, bis ich ihn schließlich in einem kleinen, hellen Raum fand, von dem man einen herrlichen Blick hinaus auf den Canal Grande und den Dogenpalast hatte. Er saß am Rand des Totenbetts und betete mit geschlossenen Augen. Dann küsste er das wächserne Gesicht seiner toten Frau, stand auf und schritt zu einer offenen Kleidertruhe.
    »Dottore, störe ich?«
    Er schien nicht überrascht, dass ich gekommen war, und sagte mit müder Stimme: »Nein, nein, tretet nur näher, Signorina.«
    »Dottore, wenn Ihr gestattet, möchte ich etwas klarstellen. Als ich gestern vor Eurer Tür stand, wusste ich nicht, dass Eure Frau im Sterben liegt. Wenn ich es gewusst hätte, wäre ich wieder gegangen. Bitte nehmt mein aufrichtiges Beileid entgegen, möge Gott Euch Kraft und Zuversicht schenken.« Ich schlug das Kreuz und wollte mich entfernen, aber er sagte: »Danke für Eure Worte. Bitte, bleibt doch. Es gibt nicht mehr viele, die mir ihr Beileid aussprechen können. Fast alle meine Freunde und Bekannten sind tot.«
    »Das muss schrecklich sein.«
    »Das ist es. Aber noch viel schrecklicher ist, dass ich jetzt keine Familie mehr habe.«
    »Ihr seid ganz allein?«, fragte ich mitfühlend.
    »Ja, auch meine Kinder sind tot. Sie starben schon vor vielen Jahren. Nicht an der Pest, sondern an der
Febris immobilis,
einer hochkontagiösen Krankheit.« Er starrte in die Truhe, als suche er darin etwas, dann redete er weiter: »Die
Febris immobilis
beginnt, ähnlich wie die Pest, mit auffälligen Geschwülsten, doch sitzen sie nicht in der Leiste oder der Achsel, sondern an Händen und Füßen und sind Vorboten einer nahezu gänzlichen Unbeweglichkeit des Patienten …«
    Wieder machte er eine Pause, aber ich sagte nichts, denn ich hoffte, er würde weiterreden und sich auf diese Weise ein wenig von seinem Schmerz ablenken.
    »Der Unbeweglichkeit folgen plötzliches Erbrechen und hohes Fieber, bis zum schnellen Tod. Die Wissenschaft ist machtlos gegen diese Strafe Gottes, wie gegen so viele andere Leiden. Nördlich der Alpen, an der
Alma Mater
in Wien, wird dieses Fieber auch Frieselfieber genannt.«
    »Ich habe von diesem Leiden noch nie etwas gehört, Dottore.«
    »Niemand kann alles wissen. Ihr aber seid, wie ich dem Schreiben von Doktor Tagliacozzi entnommen habe, eine sehr geschickte Chirurgin. Darf ich fragen, wie es dazu kam?«
    »Das ist eine lange Geschichte, Dottore«, sagte ich ausweichend, aber er gab sich mit der Antwort zufrieden.
    »Eine meiner drei Töchter wollte auch Chirurgin werden, genauer gesagt, eine Medica. Sie wollte werden, wie die großen Heilerinnen von Salerno es einst waren.« Ein Lächeln der Erinnerung glitt über sein Gesicht. »Das Interesse an der Medizin hatte sie wohl von ihrem Vater. Nun, das Verweigern der Immatrikulation, das Kopfschütteln der gelehrten Herren, das Stirnrunzeln, das Gerede über eine junge Frau, die sich erdreistet, eine akademische Ausbildung anzustreben – all das blieb ihr erspart, denn sie verstarb vorher. Wenigstens etwas, wofür das verfluchte Fieber gut war.«
    »Das tut mir sehr, sehr leid.« Was der Doktor da erzählte, war mir nur zu vertraut. Ich fühlte eine tiefe Verbundenheit.
    »Ihr großer Wunsch ging nicht in Erfüllung. Wünsche

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