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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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in kostbaren Gewändern und in völliger Nacktheit. Menschen mit gebrochenen Augen, hilfesuchend emporgereckten Händen und offenen Mündern, als sängen sie ihr eigenes Todeslied. Doch sie sangen nicht, sie würden nie mehr singen.
    Capo schritt unerschütterlich weiter, als wisse er, wohin er mich bringen sollte. Ich war ihm dankbar dafür. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte ich vielleicht doch noch die Flucht ergriffen.
    Ich sagte mir, dass ich ohnehin nicht vor der Seuche fliehen konnte. Wo ich auch war, sie würde mich kriegen, und wenn sie mich hatte, würde sie mich töten oder – im Glücksfalle – ungeschoren lassen. Es war völlig gleich, ob ich weiterritt oder nicht, völlig gleich …
    Mit derlei Gedanken im Kopf setzte ich nach Venedig über und war erstaunt, dass ich keinerlei Wachen auf den Straßen sah. Es gab sie nicht. Stattdessen bemerkte ich einige ärmlich gekleidete Männer, die Särge auf einen Kahn verluden. Das erschien mir seltsam, deshalb fragte ich einen von ihnen: »Wohin bringt ihr die Särge?«
    »Zur Friedhofsinsel.«
    »Und dort werden die Toten begraben?«
    »So ist es, Signorina. Und wenn Ihr nicht auch dort begraben werden wollt, macht Euch lieber davon. Venedig ist zur Zeit kein gutes Pflaster.«
    Ich ging nicht auf seinen gutgemeinten Rat ein und fragte ihn: »Weißt du, wo Doktor Sangio wohnt? Er soll einer der bekanntesten Ärzte der Stadt sein.«
    »Das ist er, das ist er. Er wohnt ganz im Osten von Dorsoduro.« Der Mann wies mir den Weg und beschrieb das Haus. »Ihr habt Glück, Signorina, dass Ihr nicht den Canal Grande überqueren müsst, in diesen Tagen ist es schwer, eine Gondel aufzutreiben.
    »Danke, und Gott befohlen.« Ich ritt in die angegebene Richtung und erkannte nach einer geraumen Weile das Haus des Doktors. Es erinnerte mich von der Farbe her an Gaspares terrakottafarbenes Haus, doch es wirkte schmaler und ein wenig verwittert. Mit seinen prächtigen Friesen und der aufwendigen Freskenmalerei mochte es einmal bessere Tage gesehen haben. Ich stieg ab und band Capo an eine schmale Säule. Dann trat ich unter die Lünette des Hauptportals und betätigte den löwenköpfigen Klopfer. Eine Zeitlang geschah nichts. Gerade wollte ich nochmals klopfen, da öffnete sich die Tür. Ein Diener erschien, musterte mich und sagte: »Ja, bitte?«
    »Mein Name ist Carla Maria Castagnolo, ich möchte zu Doktor Sangio.«
    »Doktor Sangio kann zurzeit niemanden empfangen.« Der Diener wollte die Tür schließen, aber ich sagte hastig: »Ich komme extra aus Bologna. Ich habe ein Empfehlungsschreiben von Doktor Tagliacozzi und einen Brief von Professor Aldrovandi für deinen Herrn. Hier sind sie.« Ich hielt die versiegelten Schriftstücke hoch und hoffte, sie würden den Diener überzeugen.
    »Ich fürchte, Doktor Sangio kann Euch trotzdem nicht empfangen. Gebt mir die Briefe, ich werde sie ihm zukommen lassen.«
    »Nein, die Briefe gebe ich nicht aus der Hand. Sie sind von höchster Dringlichkeit.«
    Wieder musterte er mich. Er schien unschlüssig. »Nun gut, wenn Ihr in so wichtiger Mission hier seid, tretet ein. Bitte folgt mir.« Er ließ mich ein, geleitete mich in den Innenhof und führte mich über eine Freitreppe in die oberen Stockwerke. Im dritten Geschoss blieb er stehen. »Hier links ist eines der Gästezimmer. Macht es Euch bequem, aber erhofft Euch nichts. Ich weiß wirklich nicht, ob Doktor Sangio Euch empfangen wird.«
    »Ich habe einen weiten Weg hinter mir. Ich werde so lange warten, bis er Zeit für mich findet.« Unaufgefordert setzte ich mich auf einen der Stühle neben dem Bett. Da ich annahm, dass der Doktor einen wichtigen Patienten in seinem Haus versorgte, fragte ich: »Wann, glaubst du, wird er die Behandlung abgeschlossen haben?«
    »Ich fürchte, ich darf Euch keine Auskunft geben.«
    »Dann werde ich Doktor Sangio später selbst fragen.«
    Daraufhin sagte der Diener nichts. Er ging im Zimmer auf und ab, schlug die Bettdecke zurück, schüttelte die Kissen auf und goss Wasser in die Waschschüssel.
    »Was machst du da?«
    Wieder antwortete er nicht. Er fuhr in seiner Tätigkeit fort und sagte dann: »Ich werde Euch eine leichte Mahlzeit bringen, und auch Euer Pferd will ich versorgen. Dies ist ein gastliches Haus. Zu normalen Zeiten jedenfalls.« Er verließ mich und kam wenig später mit einem Tablett zurück. Er schien etwas zugänglicher, denn während er das Essen richtete, sagte er: »Verzeiht, Signorina Carla, dass ich mich Euch nicht gleich

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