Die Medica von Bologna / Roman
Beschuldigungen gegen mich ausstoßen, aber denkt Euch nichts dabei. Diese Reaktion ist normal, es sind die letzten Zuckungen des Bocksbeinigen, der seinen Besieger, Gott, und sein Werkzeug, mich, verflucht. Die Reaktionen werden mit dem Husten bald ganz verschwinden. Vielleicht aber, und auch das ist möglich, wird Eure Tochter schon vom heutigen Tage an wieder völlig normal sein und ausschließlich fromme, züchtige Rede führen, so wie es Gott dem Allmächtigen gefällt, nicht wahr?« Er tätschelte meine Wange, und mir wurde fast übel.
Meiner Mutter kamen die Tränen vor Glück. »Ich bin Euch so dankbar, Vater.«
»Dankt nicht mir, dankt Gott, dessen williges Werkzeug ich bin.« Der Pater streckte seine Rechte vor, und meine Mutter küsste inbrünstig den Ring an seinem Finger.
»Ich muss jetzt gehen, Signora. Ich werde Euch und Eure Tochter in meine Gebete einschließen. Gott befohlen.«
Augenblicke später war Pater Edoardo verschwunden. Meine Mutter blickte ihm nach und murmelte: »Welch ein frommer, aufrechter Mann.«
Am Abend hörte ich sie vor dem kleinen Hausaltar beten. Ihre Sätze waren geprägt von leidenschaftlicher Liebe zu Gott und von glühender Bewunderung für Pater Edoardo. Dazwischen jedoch blitzte immer wieder ihr Aberglaube auf, denn sie stieß heidnische Formeln gegen das Böse aus, redete von Talismanen und Fetischen, dann wieder von glück- und segensbringenden Reliquien; sie zitierte erneut den unheimlichen Vers aus dem Zweiten Buch Mose:
»… und lasse die Zauberinnen am Leben«,
sprach vom Leichentuch Christi, dessen heilende, schützende Eigenschaften durch bloße Berührung zur Entfaltung kämen, und erflehte immer wieder, dass ich, ihre arme Tochter, den grausamen Fängen der Inquisition entgehen möge. Anschließend sagte sie mehrmals Amen, fügte ein »So-sei-es« an, nicht ahnend, dass beides ein und dasselbe bedeutet, und legte sich schließlich zur Ruhe.
Ich jedoch lag noch lange wach, da die Abscheulichkeiten und Demütigungen, die Pater Edoardo mir zugefügt hatte, mir nicht aus dem Sinn gingen. Ich verstand nicht, was geschehen war, denn mit der Kirche und ihren Vertretern hatte ich bis dahin nur Gutes verbunden. Es konnte nicht sein, dass der Pater ein schlechter Mensch mit niederen Trieben war, er war doch ein Mann Gottes.
Heute weiß ich es besser. Zwar gibt es viele Prediger, die in Armut und Keuschheit leben, die hart arbeiten, Gutes tun und ein gottgefälliges Leben führen. Sie leben überall auf dieser Welt, sie nennen sich Zisterzienser, Franziskaner oder Kapuziner, Dominikaner, Augustiner oder Kartäuser, sie sind Männer oder Frauen, und sie stellen die überwältigende Mehrzahl dar. Aber es gibt auch solche unter ihnen, die ihren Beruf, Gott zu dienen, nicht als Berufung verstehen. Sie sind falsch und arglistig, sie verdammen die Fleischeslust und erliegen ihr selbst. Sie reden von der heiligen Mutter Kirche und setzen sie mit sich und ihren eigenen Wünschen gleich, eine Anmaßung, die lediglich beweist, dass die Kirche Menschenwerk ist und nichts mit Gott zu tun hat.
Sie sagen: »Gott will es«, und meinen: »Ich will es.« Sie verleugnen die Tatsache, dass Gottes Wille von Hunderten ihresgleichen hundertfach verschieden ausgelegt wird, und scheren sich nicht darum, dass es nur einen einzigen göttlichen Willen gibt: den Willen zur Wahrheit – als Ursprung für Verständnis und Frieden, als Quell aller Gerechtigkeit und Harmonie. Wenn es aber nur den einen, den allein seligmachenden Willen Gottes gibt, haben alle anderen, deren Handlungen diesem Willen zuwiderlaufen, unrecht.
So und nicht anders ist es, weil allein schon die Logik es gebietet.
Die Brautschuhe
Le calzature nuziale
ch liebe das Frühjahr, denn es ist die Zeit, in der Bologna aus der Starre des Winters erwacht, in der das Leben auf den Straßen wieder zu pulsieren beginnt, Handel und Wandel neu erblühen und die berühmte Seiden-Messe auf der Piazza Maggiore stattfindet, wo seit jeher die Larven und Raupen des Seidenspinners und die Blätter des Weißen Maulbeerbaums ihren Besitzer wechseln.
So war es auch anno 1569, dem Jahr, in dem sich mein Leben endlich wandelte. Die Einsamkeit, die mich bis dahin umklammert hatte, gab mich frei und machte Platz für eine Begegnung, von der ich zunächst nicht glaubte, dass es eine Bekanntschaft werden würde.
Es war an einem der ersten Maitage, als es morgens unverhofft an die Tür klopfte.
Nach einigem Zögern öffnete ich, denn wie so
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