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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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betrachten wollt. Ich versichere Euch, Ihr seid noch schöner als Schehrezâd.«
    »Wer ist das?«
    »Schehrezâd? Ach, das könnt Ihr ja nicht wissen. Es handelt sich dabei um die junge Erzählerin von
Alf laila waleila.
Ihr Zuhörer war der König Schehrijâr, der die grausame Angewohnheit besaß, sich jeden Tag aufs Neue mit einer Jungfrau zu vermählen und sie am nächsten Tag enthaupten zu lassen, da er ihrer bereits nach einer Nacht überdrüssig geworden war. Die kluge Schehrezâd indessen verstand es, mit ihrer Erzählkunst den König so zu fesseln, dass er sie nicht tötete. Listig, wie sie war, ließ sie stets das Ende des Märchens offen und versprach, es am nächsten Abend zu erzählen. Auf diese Weise kamen tausendundeine Nacht zusammen. Danach zeigte Schehrezâd dem König die drei Söhne, die sie ihm in dieser Zeit geboren hatte. Schehrijâr war daraufhin höchst entzückt, bewunderte ihre Klugheit und ließ ihr das Leben.«
    »Eine hübsche Geschichte über eine Geschichtenerzählerin«, sagte ich.
    »Nicht wahr! Wenn Ihr wollt, gebe ich einige ihrer Märchen zum Besten. Ich bin darin, bei aller Bescheidenheit, recht geübt.«
    Da ich keine Einwände machte, erzählte er aus
Alf laila waleila
die lehrreiche »Geschichte von dem Frommen und seinem Butterkrug«, die »Geschichte von dem Kaufmann und dem Papageien« und die »Geschichte von dem Geizigen und den beiden Broten«. Als er damit fertig war, sagte er beziehungsvoll: »Was haltet Ihr von einer kleinen Rast, Herrin?«
    »Nichts«, sagte ich, und diesmal ließ ich mich nicht erweichen.
     
    Am dritten Tag unserer Reise war mir klar, dass Latif nicht über die Ursache seiner Nasenverstümmelung sprechen wollte, denn als ich ihn fragte, was Afet und der Kizlar Ağası damit zu tun gehabt hätten, wich er aus und erläuterte lang und breit die Hierarchie des Topkapı-Palastes. »An erster und oberster Stelle steht natürlich der Sultan, Herrin«, erklärte er, während wir langsam die Straße nach Süden entlangritten. »Dann folgt die Mutter des Sultans, die Valide Sultan, deren Einfluss ungeheuer groß ist, denn sie sucht die Ikbals für das Schlafgemach ihres Sohnes aus.«
    »Ikbals, sind das … Huren?«, fragte ich.
    Latif lachte. »Verzeiht, Herrin, wo denkt Ihr hin. Ikbals sind Haremsdienerinnen, wofür natürlich nur die erlesensten und schönsten Jungfrauen in Frage kommen. Sie stammen nicht aus dem Osmanischen Reich, wie Ihr glauben mögt, sondern aus allen Ländern dieser Welt. Ich habe Mädchen mit roten Haaren aus England gesehen, Blonde aus den skandinavischen Landen und Schwarzhaarige von der Barbareskenküste. Ich habe Kraushaarige gesehen und Glatthaarige, Kurzhaarige und Langhaarige, es gibt nichts, was ich an Haaren nicht gesehen hätte, und das gilt nicht nur für den Kopf.«
    Ich wollte das Thema nicht weiter vertiefen und fragte: »Und wer steht unter der Sultan-Mutter?«
    »Die Prinzessinnen, Herrin. Vorausgesetzt, sie sind osmanischen Geblüts. Sie werden als Sultanas bezeichnet und führen ein Leben, das an Langweiligkeit nicht zu überbieten ist, wenn man von dem verschwenderischen Luxus, der sie umgibt, einmal absieht. Doch auch Luxus kann langweilig sein, glaubt mir. Stellt Euch vor, es gäbe nichts mehr, was Ihr selber machen müsstet. Nichts, gar nichts, bis hin zu den privatesten Verrichtungen, die täglich vorgenommen werden wollen.«
    Auch darüber mochte ich nicht reden, sondern fragte: »Und wie geht es weiter?«
    »Dann kommt die Erste Hauptfrau, die Haseki. Sie ist besonders wichtig, denn sie gebärt den Thronfolger. Alle Nachkommen des Sultans sind übrigens legitim, aber es gibt nur einen Thronfolger. Durch ihn wird seine Mutter eines Tages selbst zur Valide Sultan. Sich mit ihr gutzustellen ist klug und weise. Leider habe ich nicht immer danach gehandelt.«
    »Was hast du dir denn zuschulden kommen lassen?«
    »Ach, es ist nicht der Rede wert, Herrin. Hört lieber, wie es weitergeht: Nach der Ersten Hauptfrau folgen die Konkubinen, die wir, wie gesagt, Kadinen nennen, dann die Euch schon bekannten Haremsdienerinnen, Ikbals, dann die Haremsschülerinnen, die als Palastsklavinnen arbeiten. Sie werden in vielerlei Fertigkeiten unterrichtet, lernen Türkisch lesen und schreiben, dazu häufig Italienisch oder Spanisch, erwerben Geschick in der Herstellung von Näh- und Stickarbeiten, üben Tanzen, Singen und Musizieren. Wenn ihre Ausbildung beendet ist, werden sie an hohe Würdenträger verheiratet, sofern sie

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