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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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Rücken gearbeitet. »Der Zweite Akt natürlich. Er besteht im Ziehen der Fäden, welches nach einer Woche erfolgt. Der Dritte Akt sieht die endgültige Heilungsphase vor, die etwa ein halbes Jahr dauert. In diesen Monaten soll der Patient strenge Diät halten und körperliche Anstrengungen vermeiden. Anschließend sollte die Haut des neu gestalteten
lobulo
sich in nichts mehr von der seiner Umgebung unterscheiden.«
    »Darf ich ihm die Fäden ziehen?«, fragte ich.
    Gaspare schien einen Augenblick zu überlegen. »Ja«, sagte er dann, »aber nur unter der Bedingung, dass wir uns danach öfter sehen.«
    »Das ist Erpressung.«
    »Natürlich.« Er grinste.
    »Ich glaube, der Patient kommt zu sich«, sagte ich, um das Gespräch in weniger verfängliche Bahnen zu lenken.
    Gaspare hob ein Augenlid des Schlafenden. »Nein, er ist nicht bei Bewusstsein.«
    »Wie lange wird sein Zustand noch anhalten?«
    »Genau lässt sich das schwer sagen. Die Flüssigkeit in der
Spongia somnifera
hat ihre Tücken. Ist sie zu schwach, schläft der Patient nicht richtig ein, ist sie zu stark, schläft er vielleicht für immer ein. Ganz davon abgesehen, können bei falscher Dosierung Herz- und Atembeschwerden auftreten. Aber um deine Frage zu beantworten: Die Bewusstlosigkeit wird so lange anhalten, bis ich sie aufhebe. Ich werde dazu ebenfalls einen Schwamm benutzen, diesmal aber einen, der mit Weinessig getränkt ist. Die Dämpfe von Weinessig in der Nase vermögen selbst Tote aufzuwecken.«
    Er setzte seine Ausführungen in die Tat um. Der Generalvikar begann alsbald zu keuchen und zu husten. Seine Augenlider flatterten, und Gaspare sagte: »Rasch, verlasse jetzt den Raum. Ich werde dafür sorgen, dass Seine Exzellenz deine Anwesenheit duldet, wenn du zum Fädenziehen wiederkommst.«
    »Ja«, flüsterte ich und stahl mich hinaus. Alles war sehr schnell gegangen, aber es störte mich nicht, denn mein Herz jubelte.
    Ich würde Gaspare wiedersehen.
     
    »Doktor Tagliacozzi hat viel Gutes über Euch berichtet«, sagte der Generalvikar am nächsten Sonntag zu mir, während Gaspare ihm half, sich im Bett aufzusetzen. »Er war des Lobes voll über Eure Frömmigkeit, Euer Geschick in der Behandlung von Kranken und über Eure – Verschwiegenheit.«
    Ich versank in einem tiefen Knicks. »Eure Exzellenz können sich auf mich verlassen«, hauchte ich.
    »
Benissimo.
Davon, dass ich von Eurem Gesicht nichts sehen würde, sagte Doktor Tagliacozzi allerdings nichts.«
    »Verzeihung, ich, ich …«
    Gaspare versicherte hastig: »Die Signorina wird das Barett mit dem Schleier sofort abnehmen.«
    Es blieb mir nichts anderes übrig, als seinem Befehl zu folgen. Ich tat es, zögernd und voller Scham, und meine rechte Gesichtshälfte errötete dabei so stark, dass sie fast der linken Hälfte mit dem Feuermal glich.
    Seine Exzellenz stutzte einen Augenblick, dann schlug er gewohnheitsmäßig das Kreuz. »Wie ich sehe, seid Ihr entstellt. Doch hadert nicht mit Eurem Schicksal, Gott hat es so gewollt, ebenso, wie es sein Wille war, mich ans Krankenbett zu fesseln. Nun, äh, wird das Ziehen der Fäden lange dauern?«
    In seiner Stimme sollte Festigkeit liegen, aber ich hörte Unsicherheit heraus. Das half mir, meine Befangenheit zu überwinden, und ich sagte: »Lasst mich zuerst die Stelle sehen.« Vorsichtig nahm ich den Verband ab und betrachtete eingehend Gaspares Werk. Das Ohrläppchen war leicht angeschwollen und rötlich, aber zweifelsohne richtig angewachsen. »Es steht alles zum Besten«, sagte ich, »die Fäden werden keine Schwierigkeiten machen; das operierte Ohr wird sich schon bald in nichts von dem anderen unterscheiden.«
    »Wirklich?« Seine Exzellenz sah Gaspare fragend an.
    Es verdross mich, dass er Gaspares Bestätigung brauchte, um meinen Worten zu glauben, aber ich ließ mir nichts anmerken und sagte: »Lasst mich nun die Fäden ziehen. Es wird kaum weh tun.«
    »Mit Gottes Hilfe«, murmelte Seine Exzellenz und schloss die Augen.
    Wenig später war das Werk vollbracht. Seine Exzellenz wollte sein neues Ohrläppchen befühlen, aber ich bat ihn, es zu unterlassen. »Ich bin noch nicht ganz fertig«, sagte ich.
    Wieder sah Seine Exzellenz Gaspare fragend an, und dieser nickte unmerklich. »Ihr müsst Euch noch etwas gedulden«, bat er, »aber Ihr könnt schon einen Blick auf das werfen, was wir Ärzte
Lobulus auricularis
nennen. Bitte sehr.«
    Seine Exzellenz nahm einen Spiegel entgegen und schaute hinein. »In der Tat, recht hübsch«,

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