Die Medica von Bologna / Roman
es, so kunstvoll mit Puder, Farben und Tierblut umzugehen, dass jedermann glaubt, er wäre soeben Opfer eines Überfalls geworden – und sich barmherzig zeigt.«
Ludovico schien ein fröhlicher Geselle zu sein, denn er kniff ein Auge zu und nickte.
»Es folgt Salvatore, unser Mann mit der Klauschürze. Ein Kleidungsstück, das die Summe der erbettelten Münzen auf beträchtliche Art erhöhen hilft. Wisst Ihr, was eine Klauschürze ist, Signorina?«
»Nein«, sagte ich.
»Salvatore, erkläre es.«
»Nichts leichter als das.« Salvatore hatte eine Stimme wie rostiges Eisen. »Wie Ihr seht, Signorina, trage ich eine verwaschene blaue Latzschürze ohne jede Tasche. Stimmt’s?«
»Ja«, sagte ich.
»Falsch.« Salvatore deutete unter den Latz. »Hier sitzt eine. Niemand würde sie dort vermuten, geschweige denn ertasten können, aber sie ist da – und sie enthält sogar etwas. Bitte sehr.« Er übergab mir eine Brosche, die ich sofort als die meine erkannte.
»Nun kennt Ihr den Vorteil einer Klauschürze, Signorina. Oder, wenn Ihr so wollt, auch den Nachteil. Es kommt auf den Standpunkt an.«
Salvatore setzte sich unter allgemeinem Gelächter.
Fabio lachte mit. »Es folgt Latus, wie ich ihn auf Lateinisch nenne, weil er, wenn man ihn nicht bremst, zu weitschweifiger Rede neigt. Nicht wahr, Latus?«
Der so Angesprochene war noch jung an Jahren und hatte ein pausbäckiges Gesicht. »Ich bin sehr mitteilsam«, sagte er grinsend. »Aber nicht mit dem Mund.«
»Wir nennen ihn ›Latus, der Flatus‹«, klärte Fabio mich auf. »Er ist Kunstfurzer und vermag dank seines Könnens die verschiedensten Melodien zum Besten zu geben. Besonders einträglich ist sein Geschäft natürlich zur Karnevalszeit, wenn er
Quant’è bella giovinezza
furzt, aber auch sonst lässt sich mit dieser Art geblasener Luft gut der eine oder andere Baioccho verdienen.«
»Eine Kostprobe gefällig, Signorina?«, fragte Latus.
»Nein danke«, sagte ich hastig.
»Dann haben wir da noch Teofilo, den Tanzmäuser. Teofilo ist der Freund aller Mäuse, sie fressen ihm aus der Hand, und sie tanzen für ihn in kleinen, bunten Kostümen, die den Gegensätzlichkeiten wie Feuer und Wasser, Engel und Teufel, Tag und Nacht und so weiter nachempfunden sind. Los, Teofilo, lass deine Schar heraus.«
Der Tanzmäuser öffnete einen vor ihm stehenden, intarsiengeschmückten Ebenholzkasten und stieß dazu einen zarten Pfiff aus. Kaum war dieser verklungen, erschien ein spitzes rosa Näschen in der Öffnung. Es folgte die ganze Maus im Kostüm eines Engels, und nach ihr kamen weitere Mäuse. Neun oder zehn kleine, possierliche Nager waren es am Schluss, und alle bewegten sich nach der Melodie, die der Tanzmäuser pfiff. Mit etwas Fantasie konnte man einen Springtanz, eine Gagliarda, in dem Ganzen erkennen. Nachdem die Mäuslein in ihre Behausung zurückgepfiffen worden waren, zählte Fabio weiter auf: »Das ist Sberleffo. Wir nennen ihn so, weil er wie kein zweiter Grimassen schneiden kann. Seine Kunst ist es, entweder das Gesicht so zu verziehen, dass jedermann lachen muss, oder so, dass jedermann den Tränen nahe ist. Letzteres hilft der Spendenwilligkeit besonders auf die Sprünge. Komm, Sberleffo, zeig, was du kannst.«
Das ließ Sberleffo sich nicht zweimal sagen. Im Nu veränderte er sein Gesicht, als würden unsichtbare Hände es falten. Er stülpte die Lippen vor wie ein Fisch, weiter und weiter, bis zu einem aberwitzigen Ausmaß, und nahm dann, als wäre es die normalste Sache der Welt, seine Nase in den Mund. Es sah so verrückt aus, dass ich tatsächlich lachen musste.
»Seht Ihr, Signorina Carla, es funktioniert.«
»In der Tat, Fabio.«
Sberleffo, der bis auf seine lange Nase ein völlig normales, nichtssagendes Gesicht hatte, produzierte weitere Grimassen, die aber niemand mehr beachtete.
»Dann haben wir da noch Giuseppe, er ist Beutelschneider, was nichts anderes heißt, als dass er Reichen den Geldbeutel unbemerkt vom Gürtel schneidet, und Alfonso, der als Feuerspeier und Feuerschlucker arbeitet. Ich denke, einen Beweis ihres Könnens müssen sie hier nicht zeigen.«
»Nein, das wird nicht nötig sein«, sagte ich.
»Damit kennt Ihr alle Anwesenden, Signorina. Alle, bis auf einen. Es ist der alte Mann, der dort hinten die Suppe über der Kochstelle rührt. Sein Name ist Itzik Rosenstern. Er ist Jude und betreibt der Form halber die Pfandleihe oben zur Straße hin. Itzik, komm mal her.«
Da der Alte nicht gleich kam, rief Fabio
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