Die Medica von Bologna / Roman
muss es gereinigt werden. Und das nicht nur, weil Massimo sich auf dieser Zange hier verewigt hat.«
»Die Instrumente, mit denen Signorina Carla operiert, müssen immer blitzsauber sein, das weiß ich noch von meiner eigenen Rekonstruktion.« Fabio tippte sich bestätigend an seine Nase.
»Das stimmt«, bestätigte auch Latif, »bei meiner Nase mussten sie es ebenfalls sein.«
»Dann reinigt jetzt die Teile«, sagte ich. »Es geht übrigens am besten mit heißem Wasser und Scheuersand. Viele Chirurgen meinen zwar, das Säubern der Instrumente sei überflüssig, weil sie bei der Operation sowieso schmutzig würden – ein Grund, warum die Herren vorher ihre Hände meist nicht waschen –, aber meine Erfahrungen sagen mir, dass Wunden besser heilen, wenn sie nicht mit Schmutz in Berührung kommen.«
Es geschah, wie ich wollte. Ich verlangte noch mehr Kerzen, denn es war das erste Mal, dass ich nicht bei Tageslicht operierte, und als die Geschwulst mit dem Abszess genügend erhellt war, griff ich zum Skalpell.
»Ich wünsch Euch ein gutes Händchen und viel Glück und mir auch«, sagte Itzik, dessen Stimme gepresst klang, weil er sich krumm machen und vorbeugen musste. Ich sagte: »Ich habe das schärfste Skalpell ausgewählt, denn je schärfer die Klinge, desto schmerzloser der Schnitt.«
»Oj, oj.«
Ich öffnete den Abszess und wählte dann ein langes, schlankes Instrument mit scharfrandigen Enden, mit dem ich tief in die Entzündung eindrang und den Kanal freilegte. Sowie der Druck vom Eiterherd genommen war, quoll die gelbe Flüssigkeit mit Macht hervor, was ich durch seitliches Drücken noch unterstützte. Als ich sicher war, dass alle Gifte den Abszess verlassen hatten, legte ich eine leichte Kompresse auf die Wunde und drückte sie fest.
Der alte Mann, der während der gesamten Prozedur
»
viel Glück
,
Itzik, viel Glück
,
Itzik«, vor sich hin genuschelt hatte, fragte: »Isses überstanden?«
»Ja, fürs Erste«, sagte ich. »Es kann sein, dass noch etwas Eiter abgeht, aber das Schlimmste ist vorbei.«
»Des Himmels Segen über Euch.«
»Es wäre gut, wenn jemand in zwei Tagen noch einmal nach der Wunde sehen und den Verband wechseln würde.«
Conor streichelte Massimo, der auf seiner Schulter saß, und sagte mit gewichtiger Miene: »Es wär gut, wenn Ihr das machen könntet, Schwester, äh, ich meine Signorina.«
Ich zögerte.
»Es wär überhaupt gut, wenn Ihr unsere Ärztin sein könntet, Signorina. Wir haben viele Krankheiten, weil wir viel auf der Straße sind. Und Fieber und andere Seuchen haben wir auch. Und Verletzungen von Raufereien, in die wir reingeraten, manchmal ganz böse Verletzungen.«
Alle Augen ruhten auf mir.
»Was meint Ihr?«
Da ich noch immer zögerte, sagte Conor: »Wir würden Euch eine Art Krankenstation hier einrichten mit allem, was Ihr so braucht.«
Der Gedanke, ein eigenes kleines Hospital zu haben – wenn auch unter einfachsten Bedingungen – und als Ärztin arbeiten zu können, hatte durchaus etwas Reizvolles. Endlich würde ich mein erworbenes Wissen anwenden können, ganz so, wie ich es schon immer gewollt hatte, und niemand würde mich davon abhalten, denn meine Tätigkeit würde sich im Verborgenen, im Untergrund abspielen. »Ich muss Bedenkzeit haben«, sagte ich.
»Natürlich.« Conor wirkte etwas enttäuscht, obwohl er sich nichts anmerken lassen wollte.
Fabio ergriff das Wort: »Ihr habt recht, Signorina. Es wäre ein neuer, vielleicht auch gewagter Schritt für Euch, unsere Ärztin zu werden, aber bedenkt auch, welche Vorteile sich für Euch damit verbänden: Es gäbe niemanden, der Euch in die Behandlung hineinreden würde, Ihr wäret gewissermaßen Euer eigener Herr der Medizin. Eure begnadeten Hände könnten das tun, was sie schon immer wollten – und Ihr hättet Patienten, die Euch mehr als dankbar wären.«
»Ja, Fabio«, sagte ich.
»Überlegt es Euch, Signorina. Und vergesst nicht: Wahre Freunde sind wie Melonen, unter hundert findet man nur eine gute. Wir alle sind Euch sehr gewogen.«
»Das stimmt«, sagte Conor.
»So isses«, sagte der alte Itzik.
Die anderen nickten.
»Ich möchte mich jetzt verabschieden. Mir geht sehr viel im Kopf herum, aber ich verspreche, mich bald zu entscheiden.«
»
Arrivederci,
Signorina«, sagte Conor, und die anderen grüßten ebenso.
Fast eine Woche war vergangen, und ich zögerte noch immer. Sollte ich die Ärztin der Bettler werden oder nicht?
Das Angebot schmeichelte mir, und die damit
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