Die Medica von Bologna / Roman
tun.«
Zwei Tage später, man schrieb den 11. September 1581, erfuhr ich, dass Tagliacozzis Frau Giulia einen weiteren Sohn namens Ippolito zur Welt gebracht hatte. Und als wäre das nicht schon provozierend genug, ertönten kurze Zeit später wiederum die Glocken von San Pietro. Jeder Schlag, den ich vernahm, vertiefte die Wunden, die mir zugefügt worden waren, und schließlich brach es aus mir hervor: »Gaspare Tagliacozzi, du schäbiger Lügner! Du hast mir damals mit treuem Hundeblick erzählt, du würdest seit langem nicht mehr mit deiner Frau das Bett teilen, und ich war dumm genug, dir das zu glauben. Inzwischen bist du vierfacher Vater! Ein vierfacher Vater und vierfacher Lügner! Du Betrüger, du! Du Plagiator! Du spielst mit meinen Gefühlen, als wäre ich eine Puppe, du verhöhnst mich, verspottest mich, gibst mich der Lächerlichkeit preis, oh, wie ich dich hasse!«
»Herrin, bitte, regt Euch nicht auf.« Latif stand vor mir.
»Wo kommst du auf einmal her?«
»Aus der Küche, Herrin. Euer Kopf scheint vor Zorn zu glühen, das ist nicht gut! Gebt acht, dass die Flammen Euch nicht ersticken.«
»Was redest du da! Dieser Kerl hat mich belogen und betrogen, er hat mich benutzt wie ein Paar Schuhe, das man nach dem Gebrauch einfach wegstellt!«
»Redet Ihr von dem schändlichen Mann …?«
»Genau von dem rede ich. Aber jetzt ist Schluss, jetzt werde ich ihn zwingen, ein paar Dinge geradezurücken, und wenn es das Letzte ist, was ich auf dieser Welt tue!«
»Was meint Ihr damit, Herrin?« Latifs Stimme klang ganz klein.
»Ich werde zu ihm gehen und ihn zur Rede stellen.«
»Macht das lieber nicht, Herrin.«
»Wer sollte mich davon abhalten, du?«
»Herrin, bitte …«
Aber Latifs Einwände waren vergebens. Ich hatte mir schon das Barett mit dem Schleier aufgesetzt und rannte wild entschlossen aus dem Haus. Erst vor Tagliacozzis Haus in der Gemeinde San Giacomo de’ Carbonesi kam ich wieder zur Besinnung, denn ich erkannte, dass in dem Haus eine große Feier stattfand, offenbar das Fest anlässlich der Taufe. Kutschen und Pferde standen davor, Diener eilten geschäftig hin und her. Ich sah Adelmo und winkte ihn heran. »Ich muss sofort Doktor Tagliacozzi sprechen.«
»Signorina Carla, verzeiht, ich habe überhaupt keine Zeit, ich muss …«
»Du musst gar nichts! Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe? Melde mich sofort bei deinem Herrn an.«
»Signorina, verzeiht, aber es geht wirklich nicht.« Adelmo stand mit hängenden Armen vor mir.
»Das werden wir ja sehen. Ich gehe jetzt hinein und stelle mich in die Empfangshalle. Dort werde ich das ganze Haus zusammenschreien, sollte der Herr Doktor nicht geruhen, mich zu empfangen. Wenn du das verhindern willst, dann laufe unverzüglich zu ihm.«
»J … ja, Signorina.« Sichtlich verstört eilte Adelmo davon, und ich ging ins Haus, vorbei an Paaren in prächtigen Kleidern und Duftwolken von schwerem Parfum. Ich stellte mich mitten in die Halle und wartete, während um mich herum hohe Betriebsamkeit herrschte. Ich sah bekannte Persönlichkeiten, hohe Staatsdiener und erlauchte Honoratioren – und ich sah durch sie hindurch. Meine Augen suchten einzig und allein Gaspare Tagliacozzi.
Endlich kam er, mit angespanntem Gesicht, krampfhaft nach allen Seiten lächelnd. »Was willst du hier?«, fragte er. »Du bist nicht eingeladen.«
»Ich will Gerechtigkeit!«
»Pst, nicht so laut!«
»Du hast wohl Angst, dass deine feinen Gäste durch meine Anwesenheit gestört werden? Aber das ist mir einerlei. Ich will Gerechtigkeit!«
»Bist du nicht ganz gescheit, hier so herumzuschreien?« Er packte mich beim Arm und zog mich in einen kleinen Raum neben der Garderobe. Hier waren wir vor neugierigen Blicken sicher, was ihn sehr zu beruhigen schien. »Sag mir, was du willst, und dann geh bitte.«
»Zunächst möchte ich dir zu deinem vierten Kind gratulieren, ich hoffe es ist gesund?«
»Es ist gesund. Was willst du noch?«
»Es muss ein Wunder geschehen sein, dass Giulia schwanger wurde, nachdem du seit Jahren nicht mehr das Bett mit ihr teilst. Oder bist du am Ende gar nicht der Vater?« Meine Stimme triefte vor Ironie.
»Zum letzten Mal: Was willst du?«
»Ich sagte schon, ich will Gerechtigkeit. Ich habe ein Buch gelesen, es heißt
De Instrumentis pro Arte reparatoria,
ein sehr interessantes Buch, in dem sehr viel Wahres steht. Nur die Autorenangabe ist falsch, oder sagen wir: nicht vollständig. Der Name Carla Maria Castagnolo
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