Die Medica von Bologna / Roman
Constanzia?«
»Ich bettele noch nicht lange, ich bin aus der Gemeinde San Vitale.« Die Antwort der Fremden kam schnell und sicher. »Durch widrige Umstände habe ich alles verloren. Zu allem Unglück hat mich noch eine Krankheit geschlagen, die niemand heilen kann, nicht einmal die besten Ärzte. Durch einen Zufall erfuhr ich von dir und deinen Heilkünsten. Wenn du mir nicht helfen kannst, kann es niemand.«
»Bei welchen Ärzten warst du bisher?«
»Bei keinem, ich bin schließlich Bettlerin und kann mir keinen Doktor leisten.«
Ich nickte. Constanzias Schmeichelei – ich gebe es zu – fiel bei mir auf fruchtbaren Boden, anderenfalls wäre mir der Widerspruch in ihren Aussagen aufgefallen. »Was fehlt dir genau?«
»Ich habe unerträgliche Kopfschmerzen.« Constanzia deutete an ihre linke Schläfe. »Immer hier, auf dieser Seite. Hier pocht es, als schlüge jemand von innen mit einem Hammer dagegen.«
Bei diesen Symptomen, das wusste ich, hatte die Patientin kaum Aussichten auf Heilung. Doch ich ließ mir nichts anmerken und fragte sie sorgfältig aus. Ich erkundigte mich nach der Häufigkeit der Schmerzen, der Tageszeit, der Dauer und ob ein Zusammenhang mit der Monatsregel bestand, forschte nach Sehschwierigkeiten, Übelkeit und Schwindel, überlegte sorgfältig und fasste abschließend zusammen: »Wie du mir erzählt hast, kündigt sich die Tortur stets einige Zeit vorher an. Das ist nichts Ungewöhnliches, weil es den meisten deiner Leidensgenossinnen so ergeht. Versuche, zu ruhen und zu entspannen, schließe die Augen oder dunkle den Raum ab. Ich gebe dir etwas
laudanum.
Das ist ein sehr starkes Schmerzmittel, denn es enthält den Saft der Mohnkapsel. Nimm es nur in Maßen, niemals mehr als einen halben Fingerhut voll. Spüle das
laudanum
mit viel Wasser hinunter und dann vertraue auf seine Wirkung.«
»Das will ich tun.«
»Leider kann ich das Übel nicht an der Wurzel packen, sondern nur seine Auswirkungen bekämpfen, denn die Wurzel ist unbekannt. Wenn dir meine Dienste etwas wert sind, gib Conor ein wenig Geld. Es käme uns allen zugute.«
»Das will ich tun.« Constanzia bedachte mich mit einem starren Blick. »Ich höre, du arbeitest nicht nur als Heilerin, sondern auch als Ärztin?«
»Das ist richtig«, sagte ich.
»Man nennt dich Medica, hast du denn ein Studium absolviert?«
»Nein«, sagte ich und hätte das Gespräch an dieser Stelle beenden sollen, aber die Eitelkeit packte mich, und ich sprach weiter, obwohl meine Rede so unnötig war wie der Kropf an einem Hals: »Ich habe zwar nicht den Grad eines Doktors und bin auch nicht mit seinen Insignien ausgestattet, ich kann nicht den Hut zum Zeichen meiner Verdienste vorweisen und auch nicht den goldenen Ring als Emblem meiner engen Verbindung zur päpstlichen Doktrin und zur akademischen Gemeinschaft, ebenso wenig wie ich mich brüsten kann, den
osculum pacis,
den Kuss zum Zeichen des Friedens und des Vertrauens durch meine Doktorkollegen erhalten zu haben, doch eines kann ich dir versichern: Ich nehme es jederzeit mit den Herren Akademikern auf.«
»Ich glaube dir jedes Wort«, sagte Constanzia und reichte mir eine sehr gepflegte Hand zum Abschied.
»
Laudanum
ist teuer«, sagte ich. »Du wirst es dir von den Erträgen deines Bettelns wahrscheinlich nicht leisten können, versuche deshalb, sooft es geht, mit einem Sud aus Weidenrinde auszukommen.«
»Das werde ich«, sagte sie.
Die Begegnung mit der Bettlerin Constanzia beschäftigte mich nicht lange, da sofort nach ihrem Verschwinden andere Kranke auf mich warteten, die meine ganze Aufmerksamkeit erforderten. So verging der April, der Mai kam, und meine Aufmerksamkeit wurde jäh in eine andere, höchst unerfreuliche Richtung gelenkt. Am Samstag, dem zwölften des Monats, war es, als der nimmermüde Hexenverfolger Girolamo Menghi mit großem Aufwand ein neues Hetzwerk publik machen ließ. Es hieß
Fustis daemonum,
und allein sein Titel, der so viel wie »Dämonenknüppel« bedeutet, ließ mich erzittern.
Ich befand mich zu jenem Zeitpunkt in der Casa Rifugio, und Fabio, der an diesem Tag nicht als
allacrimanto
arbeitete, spürte sofort, dass etwas mit mir nicht stimmte. »Was hast du, Carla?«, fragte er. Sein hässliches Gesicht, das so sympathisch lächeln konnte, legte sich in sorgenvolle Falten.
Ich erzählte ihm von dem neuesten Machwerk des Hexenjägers.
»Aber du weißt ja noch gar nicht, was darin steht«, versuchte er mich zu beschwichtigen.
»Ich kenne seine
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