Die Medica von Bologna / Roman
sein Barett auf und schickte sich an zu gehen.
Er war schon halb bei der Tür, als mir ein Gedanke kam. »Dottore«, bat ich, »könntet Ihr auf Eurem Weg bei Signora Carducci vorbeischauen und sie bitten herzukommen? Ich … ich würde selber gehen, aber ich möchte meine Mutter ungern allein lassen.«
»Nun, äh.« Er schaute etwas pikiert drein, aber dann sagte er: »Warum nicht. Ich will tun, was Ihr sagt.«
Er ging, und ich blieb am Bett meiner Mutter sitzen, die so flach atmete, dass man es kaum sah.
Durch den wenigen Nachtschlaf musste ich wohl eingenickt sein, denn ich schreckte hoch, als eine Stimme mich ansprach: »Meine arme Carla, ich ahnte gar nicht, dass deine Mutter so krank ist. Doktor Valerini hat es mir eben gesagt.« Vor mir stand Signora Carducci. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
»Ja, Signora«, sagte ich und erhob mich rasch. »Ich bin Euch sehr dankbar, dass Ihr gleich gekommen seid. Es … es steht nicht gut. Meine Mutter hat nach dem Priester gefragt.«
»Santi numi!«
Signora Carducci schlug die Hände zusammen. »Wenn ich das geahnt hätte! Ich wäre doch …«
»Signora, ich wollte Euch fragen, ob Ihr Pater Edoardo von San Rocco holen könntet. Doktor Valerini sagt zwar, es müsse nichts bedeuten, wenn ein Patient nach den Sterbesakramenten verlangt, aber ich möchte meiner Mutter den Wunsch auf jeden Fall erfüllen.« Leise fügte ich hinzu: »Es ist vielleicht ihr letzter.«
»Mein armes Kind!« Signora Carducci nahm mich kurz und stürmisch in die Arme und verschwand dann so plötzlich, wie sie gekommen war.
Ich trat zum Bett meiner Mutter und sprach sie an: »Mamma, kannst du mich hören?« Da sie keine Reaktion zeigte, begann ich, im Zimmer aufzuräumen, brachte frische Laken und Kissen und bettete sie neu, wobei es mir vorkam, als würde sie mit jedem Tag leichter, und während ich das tat, sprach ich sie immer wieder an, aber immer wieder war es vergebens. Ich leerte ihr Nachtgeschirr aus, stellte frische Kerzen in den fünfarmigen Leuchter und ordnete die Arzneien und Tinkturen auf dem Beistelltisch. Dann holte ich den kleinen Hausaltar herüber, denn ich dachte mir, Pater Edoardo würde ihn brauchen.
Und dann verschwand ich.
Ich muss zugeben, dass ich mir feige vorkam, als ich hinüber ins Werkstattzimmer ging, um mich dort zu verbergen, doch ich fühlte mich einfach nicht in der Lage, mit Pater Edoardo in einem Raum zu sein. Wenn er kam, sollte er denken, ich sei nicht da.
Ich musste ungefähr eine Stunde warten, bis er erschien. Durch den winzigen Türspalt sah ich seinen schwarzen Schatten vorbeistreichen und hörte seine volltönende Stimme: »Ist niemand im Haus? Carla, meine Tochter, wo bist du?«
Ich machte mich ganz klein in einer Ecke hinter dem verhängten Spiegel und betete mit Inbrunst, der schauerliche Mann möge es bei seinen Fragen belassen. Und tatsächlich ging der Kelch an mir vorüber. Ich vernahm Scharren und Schieben, glaubte, Tiegel und Töpfe klappern zu hören, erkannte, dass Stahl auf Stein geschlagen wurde, um die Kerzen zu entzünden, und schloss aus alledem, dass die Darreichung des letzten Sakraments begonnen hatte. Trotz meiner Aufregung spitzte ich die Ohren. Wortfetzen der sakralen Handlung drangen zu mir herüber: »Durch diese heilige Salbung helfe dir der Herr … er stehe dir bei mit der Kraft des Heiligen Geistes … rette dich, in seiner Gnade richte er dich auf.«
Es folgte eine Pause, dann erhob sich des Paters Stimme erneut: »… und ich will lesen, wie es verfüget ist, die Verse vierzehn bis sechzehn aus dem fünften Kapitel der Epistel des heiligen Jakobus … Ist jemand krank, der rufe zu sich die Ältesten der Gemeinde und lasse sie über sich beten und salben mit Öl … und der Herr wird ihn aufrichten … Bekenne einer dem anderen seine Sünden … Des Gerechten Gebet vermag viel, wenn es ernstlich ist.«
Ein Aufstöhnen meiner Mutter unterbrach seine Worte, aber er fuhr unbeirrt fort:
»Pater noster … sanctificetur nomen tuum … fiat voluntas tua …«
Unwillkürlich betete ich das Vaterunser lautlos mit. Als Pater Edoardo Amen sagte, formte auch ich das ewige Wort und bekreuzigte mich. Ich hoffte, meine Mutter würde die Handlung mitbekommen haben, glaubte aber nicht recht daran.
Mit klopfendem Herzen nahm ich die letzten Tätigkeiten des Mannes wahr und atmete auf, als er endlich das Haus verließ.
Ich hatte es überstanden! Und ich hatte dafür gesorgt, dass meine Mutter die Sterbesakramente
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