Die Medica von Bologna / Roman
Haus?«
»Ja, Dottore, als Pulver zum Aufgießen.«
»Schön, hier habt Ihr noch ein Behältnis mit
laudanum.
Das ist eine Tinktur mit den Inhaltsstoffen des Schlafmohns, sie wirkt stärker als Weidenrinde. Ein paar Tropfen davon könnt Ihr Eurer Mutter geben, wenn die Schmerzen zu schlimm werden.«
»Danke, Dottore.«
»Und nun wollen wir sehen, wie wir die Gangrän verhindern. Am sichersten ist immer ein
resectio
des betreffenden Körperglieds, also ein Abschneiden desselben, aber das kommt in diesem Fall natürlich nicht in Frage, da die Verletzungen sich am Kopf befinden. Ich denke, wir beginnen mit einem reinigenden Aderlass. Ich brauche eine Schüssel als Auffangbehälter.«
»Ja, Dottore.«
Nachdem er das Gewünschte bekommen hatte, nahm er den Arm meiner Mutter und streckte ihn. Dann setzte er den Schnäpper zur Aderöffnung an. Es gab einen kurzen, dumpfen Laut, meine Mutter zuckte zusammen, schien aber weiter in ihrer Fieberwelt dahinzudämmern. Blut trat aus ihrer Armbeuge und tropfte in die Schüssel. Mich schauderte, ich hatte das Gefühl, mit dem Blut würde gleichzeitig ihr Leben herausfließen.
»Mehr als sechs, höchstens acht Unzen sollten es nicht sein, sonst überwiegt statt der reinigenden die schwächende Wirkung.« Doktor Valerini stoppte den Blutfluss mit einer Kompresse aus mehrschichtiger Gaze und griff dann in seine Arzttasche. »Die eigentliche Maßnahme beginnt jetzt.« Er holte ein bechergroßes, verschlossenes Gefäß hervor und hielt es hoch. »Wisst Ihr, was darin ist?«
»Nein, Dottore.«
»Ihr werdet es gleich sehen.« Er hielt das Gefäß neben die Stirn meiner Mutter und nahm den Deckel ab. Gleich darauf züngelte etwas hervor, das aussah wie ein Klumpen dicker Regenwürmer, nur waren diese Würmer olivfarben und an der Oberseite gelblich gemustert.
Unwillkürlich trat ich einen Schritt zurück.
Doktor Valerini gestattete sich ein Lächeln. »Es sind Blutegel, Signorina. Ihr Anblick ist nicht gerade schön, ihre Wirkung aber sehr segensreich.«
Die ersten Egel hatten sich mittlerweile aus dem Gefäß geschlängelt, waren auf die Stirn meiner Mutter gekrochen und bissen sich in unmittelbarer Nähe der Wunden fest. »Sie erfüllen ihren Zweck, Signorina, sie sind brav. Wäre die Haut zu kalt, hätten sie nicht zugebissen, Kälte mögen sie nicht. So aber saugen sie Blut in sich auf und entfalten dabei ihre entzündungslindernde Heilkraft.«
Ich fragte mich, wie stark der Biss wohl spürbar sei, und als hätte er meine Gedanken erraten, fuhr Doktor Valerini fort: »Der Biss ist nicht sehr schmerzhaft, er verursacht nur ein leichtes Brennen, wie bei der Berührung mit einer Brennnessel. Aber Eure Mutter dürfte von alledem nichts merken.«
»Ja, Dottore.« Ich beobachtete eines der Exemplare und sah, wie wellenförmige Verdickungen vom Kopf zur Mitte des Körpers wanderten und der längliche Leib dabei immer mehr anschwoll.
»Er trinkt«, sagte Doktor Valerini.
Ich nickte. »Wie lange werden die Egel trinken, Dottore?«
»So lange, bis sie satt sind. Das wird spätestens nach einer halben Stunde der Fall sein. Sie lassen sich dann einfach fallen, und ich muss achtgeben, dass ich rechtzeitig den Behälter darunterhalte. Im Übrigen sind es recht genügsame Tierchen. Eine Mahlzeit wie diese reicht ihnen für ein Jahr.«
So, wie Doktor Valerini es vorausgesagt hatte, kam es auch. Nach einer halben Stunde sammelte er die Egel ein, verschloss das Behältnis und verabschiedete sich. »Ich komme morgen wieder«, sagte er.
Er machte sein Versprechen wahr und erschien am späten Vormittag des nächsten Tages. »Wie geht es Eurer Mutter?«, fragte er zur Begrüßung. »Ich hoffe, besser?«
»Nein, leider nicht, Dottore«, antwortete ich. In der Tat hatte sich der Zustand meiner Mutter keineswegs zum Guten gewendet, im Gegenteil, sie war die letzten Stunden kaum ansprechbar gewesen. Die wenigen Male, die sie klar denken konnte, hatte sie über große Schmerzen geklagt. »Ich habe ihr von dem
laudanum
gegeben, Dottore.«
»
Va bene,
aber gebt ihr auch weiter von dem Weidenrindentrank, er wirkt zusätzlich gegen das Fieber.« Wieder fühlte er ihr den Puls und prüfte die Temperatur. Danach nahm er etwas Urin aus ihrem Nachtgeschirr und füllte ihn in ein kolbenförmiges Glas um, das er
matula
nannte. Er hielt die
matula
gegen das Licht und besah sich den Inhalt. »Die Säfte Eurer Mutter sind völlig aus dem Gleichgewicht geraten. Blut, Schleim, gelbe und schwarze Galle
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