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Die Medica von Bologna / Roman

Die Medica von Bologna / Roman

Titel: Die Medica von Bologna / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolf Serno
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beeindruckt, Ihr scheint Euch mit der Sache auseinandergesetzt zu haben.«
    Ich ging nicht auf ihn ein, sondern erklärte weiter: »Die Kapuze ist die auffälligste Verbesserung, aber es gibt noch einige mehr.« Ich holte eine zweite Weste aus dem Weidenkorb, eine der gebrauchten, und legte sie neben die neue. »Der Vergleich mag es verdeutlichen, Dottore: Die alte Weste ist aus Leinen, meine dagegen aus handgefertigtem Segeltuch. Die alte weist nur acht Schnürösen für die Schnürbänder auf, meine dagegen zweiunddreißig, also viermal mehr, wodurch ein festerer, gleichmäßigerer Sitz erzielt wird.«
    »Interessant.«
    »Neben einigen Verfeinerungen des Schnitts, beachtet bitte auch die Rückseite.« Ich drehte die Weste um und zeigte auf den Bereich unterhalb der Schulterblätter. »Hier seht Ihr auf ganzer Breite fünf Fischbeinstäbe in Längsrichtung eingenäht, sie stützen den Rücken zusätzlich.«
    »Fischbeinstäbe?«
    »Was ist daran so ungewöhnlich? Es bedurfte wohl erst einer Frau, um auf diese einfache Versteifungsmöglichkeit zu kommen.«
    »Wahrhaftig, da könntet Ihr recht haben.«
    »Das Einnähen der Stäbe war, nebenbei gesagt, nur möglich durch die Verwendung des stärkeren Segeltuchs. So, das war es auch schon im Wesentlichen, Dottore.« Ich blickte ihn an und stellte mit Genugtuung fest, dass er, der kluge, überlegene, weltgewandte Doktor, zum ersten Mal nach Worten suchte.
    Schließlich sagte er: »Das ist viel mehr, als ich erwartet hatte, Carla. Ich war davon ausgegangen, Ihr würdet mir einen kleinen Vortrag über mögliche Veränderungen halten, stattdessen seid Ihr gleich mit einem fertigen Exemplar zu mir gekommen. Wie ich bereits sagte, ich bin sehr beeindruckt.«
    »Danke, Dottore«, sagte ich.
    »Allerdings müssten wir mit dem neuen Stück erst noch die Probe aufs Exempel machen, denn Ihr wisst ja, die Theorie ist das eine, die Praxis das andere.«
    »Die neue Weste, die ich Kapuzenweste nenne, wurde bereits erprobt, Dottore, und zwar über einen Zeitraum von drei Tagen und drei Nächten.«
    »Wie meint Ihr?« Sein amüsiertes Lächeln erschien wieder. »Ihr wollt doch nicht behaupten, Ihr hättet Euch selbst in dieses Wunderwerk gezwängt? Das wäre, äh, so wie ich es sehe, wohl auch kaum möglich gewesen.«
    Ich blickte verlegen zur Seite. Mir war es peinlich, dass er auf meine Oberweite anspielte. »Die Kapuzenweste wurde von einem Bettler namens Conor getragen. Ich kenne ihn von seinem Aufenthalt in unserem Hospital, und ich denke, Ihr kennt ihn auch, denn Conor war in Behandlung bei Eurem Kollegen Professor Aranzio.«
    »Natürlich, ich erinnere mich. Die Behandlung seiner Nasenverstümmelung war ein Erfolg und gleichzeitig eine lehrreiche Demonstration für meine Studenten. Wie geht es ihm?«
    »Er ist ein Lebenskünstler. Er trug die Kapuzenweste an seinem Stammplatz auf der Piazza Maggiore und war des Lobes voll über ihren perfekten Sitz, was nicht verwundert, denn ich schneiderte sie ihm auf den Leib. Er musste sich für seinen Aufzug die eine oder andere Hänselei gefallen lassen, aber das machte ihm nichts aus, denn die Münzen klingelten recht oft in seinem Hut. Von mir bekam er übrigens auch ein paar Baiocchi für seine Dienste. Er will von dem Geld eine Handvoll Zucker kaufen und ein paar Eier hart kochen lassen – beides sind Lieblingsspeisen von Massimo, seinem Raben.«
    »Ihr seid eine bemerkenswerte Frau, Carla.«
    »Darf ich meinen Schleier jetzt wieder herablassen?«
    »Ja, natürlich. Sagt, wie kann ich mich Euch erkenntlich zeigen, ich meine, außer dass ich Euch das Geld für Conor wiedergebe?«
    »Ich will kein Geld.«
    »Aber … Eure ganze Mühe, die Ideen, das muss doch entlohnt werden! Ihr bringt mich in Verlegenheit, Carla.« In der Tat machte er ein zerknirschtes Gesicht, jenes, das ich schon kannte und das ihm so gut stand.
    »Ihr seid mir nichts schuldig, Dottore, außer Ihr nehmt an einem Eurer Privatpatienten demnächst eine Nasenrekonstruktion vor. In diesem Fall würde ich gern die Weste anfertigen und sie Eurem Patienten hier anpassen.« Ich blickte ihn gespannt an, denn wenn er nein sagte, würde mein Kontakt zur Medizin sich weiterhin nur auf meinen Dienst im Hospital beschränken – und ich würde ihn nie wiedersehen.
    Er schwieg und überlegte.
    »Sagt etwas.«
    »Es scheint, als hättet Ihr nicht nur gute Einfälle, wenn es um die Verbesserung einer Weste geht.« Er lächelte. »Ich bin einverstanden. Sobald ich einen Patienten

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