Die Medica von Bologna / Roman
Leberentzündung signalisieren kann, an ein violettes, das einen Aderlass ratsam erscheinen lässt, oder an ein grünes, dessen Ursache in einer Vergiftung liegen mag.«
»Ja, Dottore«, sagte ich. Ich fühlte mich an seine Ausführungen in der
Scuola d’Aranzio
erinnert und lauschte fast andächtig seiner festen, klaren Stimme.
»Doch reden wir nicht länger von Krankheiten. Ich sprach eben davon, wie viel der Ausdruck des Gesichts uns mitteilt – vorausgesetzt, wir können es sehen. Ihr, liebe Schwester Carla, verhüllt Euer Gesicht auch heute wieder vor mir.« Ein Lächeln umspielte Doktor Tagliacozzis Mund. »Darf ich daraus schließen, dass Ihr besonders stark von der Eitelkeit geplagt werdet und einen ständigen Kampf gegen diese Untugend führt?«
»Ich … ich …« Die plötzliche Gesprächswendung verwirrte mich.
»Oder hat der Schleier, den Ihr so beharrlich tragt, vielleicht eine ganz andere Ursache?«
»Ja … äh, nein.«
Das Lächeln des Doktors wurde breiter und zeigte eine Überlegenheit, die mich trotz meiner Unsicherheit zu ärgern begann. »Das geht Euch nichts an.«
»Oh, vielleicht doch. Immerhin sind wir ja so etwas wie Geschäftspartner. Darf ich …?« Mit einer schnellen Bewegung hob er meinen Schleier hoch und blickte mir mitten ins Gesicht.
Ich fuhr zurück. Die unterschiedlichsten Gefühle rangen in mir um die Oberhand. Scham, Zorn, Angst, Empörung, Verlegenheit geisterten in meinem Kopf herum, verwirrten mich, machten mich benommen. Doch am Ende siegte der Zorn. »Wie konntet Ihr es wagen, meinen Schleier anzuheben!«
»Wie konntet Ihr es wagen, mich so hinters Licht zu führen.«
»Ich habe Euch nicht hinters Licht geführt!«
»Das habt Ihr sehr wohl. Ihr habt Euch mir gegenüber als Nonne ausgegeben, um einen Grund zum Tragen des Schleiers zu haben. Doch Ihr seid keine Nonne, Ihr seid Hilfsschwester. Ich habe mich im Kloster erkundigt.«
»Wie konntet Ihr es wagen …!«
»Fangt nicht schon wieder an. Ich habe mich im Kloster erkundigt, genauso, wie Ihr es getan habt. Ihr seid die Hilfsschwester Carla, die allseits beliebt und sehr an Medizin interessiert ist. Seid versichert, dass ich meine Fühler sehr behutsam ausgestreckt habe, um das zu erfahren, und seid ebenfalls versichert, dass die Sache mit der Haube und dem Schleier unter uns bleibt. Da wir einander nichts vorzuwerfen haben, schlage ich vor, wir schließen Frieden.« Er streckte mir seine Rechte entgegen, und mir blieb nichts anderes übrig, als einzuschlagen.
Wenn ich ehrlich bin, war ich sogar ein bisschen froh darüber, dass sich das Falschspiel mit der Haube erledigt hatte. Ich atmete tief durch und blickte ihn an, und diesmal, so schien mir, war sein Lächeln frei von jeglicher Überheblichkeit, sondern einfach nur freundlich. »Stört Euch mein Feuermal denn nicht?«, fragte ich.
»Wie könnte es das. Ich wusste, dass Ihr eine
voglia di vino
im Gesicht habt. Gestattet Ihr, dass ich den Schleier hochstecke?«
Ich ließ es geschehen und sagte: »Ihr habt mich also die ganze Zeit an der Nase herumgeführt, habt die Sprache absichtlich auf das Gesicht und seine Eigenschaften gebracht, nur, um mich am Ende bloßstellen zu können.«
»Aber Carla, es ist doch so: Ihr habt mir etwas vorgemacht, ich habe Euch etwas vorgemacht, mehr nicht. Bitte zürnt mir nicht länger.« Er tat zerknirscht, was ihm besonders gut stand.
»Nennt mich nicht Carla.«
»Sehr wohl, Frau Hilfsschwester.«
»Jetzt macht Ihr Euch auch noch über mich lustig, dann sagt lieber Carla.«
»Sehr gern – Carla. Doch jetzt haben wir so viel über Gesichter und Nasen geredet, dass wir darüber fast den Grund für unser Treffen vergessen hätten. Sagt, wie steht es mit Euren Überlegungen zur Operationsweste, habt Ihr Ideen für die Verbesserung?«
Statt einer Antwort nahm ich die fertige Weste aus dem Weidenkorb und breitete sie auf dem Tisch aus. »Ja«, sagte ich, »hier stecken sie drin.«
Doktor Tagliacozzi betrachtete kurz mein Werk und fing dann an zu lachen.
»Warum lacht Ihr, diese Weste ist kein Scherz, sie hat mich nächtelange Arbeit gekostet.«
»Verzeiht, Carla, aber das Ding hat ja eine Kapuze.«
»Richtig, und das aus gutem Grund. Während der Zeit, da der Lappenstiel am Nasenstumpf anwächst, braucht der Körper des Patienten besonders viel Halt. Bisherige Westen stützten nur den Rumpf, sie waren nicht in der Lage, auch den Kopf zu fixieren. Meine Weste aber kann das – durch die Kapuze.«
»Ich bin
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