Die Medica von Bologna / Roman
Badoglio misstrauisch.
»Ungefähr zwei Jahre.«
»Zwei Jahre?« Badoglio schrie fast. »Hört das Ganze denn niemals auf?«
Doktor Tagliacozzi verkniff sich ein Schmunzeln. »Beruhigt Euch, Signore, Ihr sollt die Schablone nur nachts tragen, dasselbe gilt für die
tubuli.
«
»Wann darf ich denn endlich wieder nach Hause?«
»Jetzt, Signore.«
»Jetzt? So plötzlich?«
Nun lächelte Doktor Tagliacozzi doch. »Wieso plötzlich, Eure Behandlung hat immerhin vier Monate gedauert. Ich wünsche Euch für die Zukunft alles Gute, mein lieber Signore. Trotz Eures Temperaments wart Ihr über die Zeit ein sehr angenehmer Patient. Tragt nur nachts das
tectorium
und die
tubuli
und besucht mich alle drei Monate hier in meinem Haus, damit ich den Fortlauf der Modellierung verfolgen kann.«
Wenig später war der höchst zufriedene Badoglio verschwunden, und ich sagte zu dem Doktor: »Dottore, das waren jetzt sechs Akte, Ihr spracht jedoch einige Male von sieben. Welches ist der Siebte Akt?«
»Setzt Euch doch erst einmal.« Wir befanden uns im Kaminzimmer und tranken ein Glas Wein auf den glücklichen Abschluss der Behandlung. »Um Eure Frage zu beantworten, Carla: Der Siebte Akt ist die Tragezeit der Schablonen, er dauert, wie ich Signore Badoglio bereits sagte, rund zwei Jahre.«
»Ich verstehe.«
»
Salute,
Carla.«
»
Salute,
Dottore.«
Es entstand eine Pause, in der ich wieder an meine Entgleisung ihm gegenüber denken musste, und vielleicht erging es ihm ebenso, denn er musterte mich in der ihm eigenen Art. Um meine aufkommende Verlegenheit zu bekämpfen, fragte ich: »Und warum benutzt Ihr stets eine, äh, etwas metaphorische Art, um Eure Behandlungsschritte zu umschreiben? Die Veränderungen des Hautlappens bezeichnet Ihr als Reife, die Abschnitte nennt Ihr Altersstufen, welche Ihr mit denen des Menschen vergleicht, die Verbindung von Lappen und Nase nennt Ihr Vereinigung,
copulatio.
Sagt, ist das alles Absicht?«
»Aber natürlich, liebe Carla. Die gewählten Vergleiche sollen zu einer gedanklichen Verknüpfung mit biblischen Zahlen und Vorgängen anregen. Die sechs Akte etwa entsprechen den sechs Tagen, an denen Gott die Welt erschuf, der Siebte Akt, der Akt des Wartens auf das endgültige Ergebnis, steht für den siebten Tag der Schöpfung, den Ruhetag, den wir Sonntag nennen. Für gebildete Patienten – und die meisten meiner Patienten haben eine gute Bildung – sind diese Termini doppelt deutbar; sie sollen erinnert werden an die Parallelen zwischen der Natur und der
Ars chirurgia,
zwischen der göttlichen Schöpfung und dem menschlich Möglichen. Sie sollen wissen, dass der Chirurg zwar vorhandene Materie verwendet, es aber dank seiner Geschicklichkeit schafft, ein Produkt herzustellen, das mehr darstellt als ein bloßes Kunstwerk, vielleicht sogar etwas, das den Ausdruck
admiratio
verdient.«
Ob Silvestro Badoglio alle diese Gedankengänge ebenfalls vollzogen hatte, bezweifelte ich, doch brachte mich das Ende seiner Behandlung auf die für mich entscheidende Frage. »Dottore«, sagte ich, nachdem ich mir mit einem großen Schluck Wein Mut angetrunken hatte, »werdet Ihr mich für die nächste Nasenrekonstruktion wieder rufen?«
Er schaute mich eine Weile an, schwenkte den Wein in seinem Glas, schaute mich wieder an, runzelte die Stirn und sagte: »Nein.«
»N … natürlich. Das dachte ich mir.« Ich blickte zur Seite und versuchte, mir meine grenzenlose Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. »Ich danke Euch jedenfalls für die Zusammenarbeit, sie hat mir, nun ja, sie hat mir sehr viel Freude bereitet.« Ich wollte mich erheben, wurde aber von seinen Worten zurückgehalten: »Auch mir hat die Zusammenarbeit sehr viel Freude bereitet, und deshalb denke ich nicht daran, sie zu beenden.«
»Wie meint Ihr?« Verwirrt blieb ich sitzen. In des Doktors Gesicht erschien wieder das amüsierte Lächeln, das ich einerseits so sehr mochte, manches Mal aber auch hasste. Das Lächeln wurde noch breiter, und er sagte: »Auf Eure Frage eben, ob ich Euch für die nächste Nasenrekonstruktion wieder rufen würde, sagte ich nein, weil es keine nächste Nasenrekonstruktion geben wird.«
Ich saß da und musste wie eine fleischgewordene Frage ausgesehen haben, denn nun lachte er laut und fuhr fort: »Allerdings gibt es eine nächste Operation. Gestern hatte ich die Ehre, von einer sehr hochgestellten Persönlichkeit konsultiert zu werden, dem Grafen Paolo Emilio Boschetti von Modena. Er ist, wie er mir sagte,
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