Die Medica von Bologna / Roman
streckte ihm die Hand hin. »Wir haben uns schon einmal geeinigt, erinnert Ihr Euch? Warum soll es uns diesmal nicht gelingen?«
Er schaute mich an, verblüfft und fast ein wenig anerkennend, und seine Gesichtszüge glätteten sich. Dann setzte er wieder sein amüsiertes Lächeln auf und sagte: »
Caspita,
Carla! Ihr versteht es, Eure Meinung zu vertreten. Sei’s drum, ich werde mit Euch eine Ausnahme machen. Aber bildet Euch nur nichts darauf ein. Ich tue es lediglich, weil der vorgesehene
ministrus
vor einer Stunde abgesagt hat. Auch er leidet unter Durchfall.«
»Ja, Dottore«, sagte ich sanft.
»Bevor wir hineingehen, muss ich Euch fragen, ob Ihr Euch die Aufgabe wirklich zutraut. Sie erfordert gleichermaßen Kraft und Geschick. Ein Assistent, der Fehler macht, ist weniger wert als gar keiner.«
»Ich arbeite seit mehreren Jahren in der Klinik der frommen Schwestern, Dottore, da habe ich schon vieles erlebt, und nicht nur Schönes.«
»Wohlan, dann beginnen wir’s.«
Wir gingen zurück in den Operationsraum, wo Signore Badoglio uns schon neugierig erwartete. Doch als hätten wir uns abgesprochen, taten wir beide so, als wäre nichts gewesen, und Doktor Tagliacozzi bat mich leise, den Tisch mit der Instrumentenschale so zu plazieren, dass der Patient ihn nicht sah. Dann wies er mich an, direkt daneben Posten zu beziehen und ihm bei den Behandlungsschritten unverzüglich das Gewünschte zu reichen: die Skalpelle, die Scheren, die Nadeln und anderen Werkzeuge.
»Habt keine Angst, Signore«, sagte er ruhig. Von seinem Wutausbruch war nichts mehr zu spüren. »Ich habe diese Operation schon sehr häufig durchgeführt.«
»Ich habe keine Angst, Dottore, bin froh, dass es endlich losgeht«, brummte Badoglio.
»Sehr schön. Nachdem der Erste Akt seine Zeit gehabt hat und der Hautlappen gereift ist, nachdem Ihr, Signore Badoglio, heute Morgen wie vorgeschrieben gewaschen und rasiert wurdet, möge der Zweite Akt nun beginnen.« Die Stimme des Doktors hatte etwas Feierliches, fast hörte es sich an, als doziere er vor seinen Studenten. Dann schob er von links die Blumensäule mit den geometrischen Ornamenten an Badoglio heran. »Legt Euren linken Oberarm auf die Säule, Signore, dreht die Innenseite nach oben. Ja, so ist es recht. Ich schneide jetzt den brückenförmigen Hautlappen an der zur Schulter gelegenen Seite auf, so dass er an drei Seiten offen ist, ein Unterfangen, das Ihr kaum spüren werdet.«
Badoglio nickte.
»Das bedeutet, der Lappen wird dann nur noch an der zur Armbeuge hin gelegenen Seite hängen. Habt Ihr das verstanden?«
»Ja, Dottore.«
Ich lauschte den Worten des Doktors mit größter Aufmerksamkeit und war mir keineswegs sicher, ob er die ausführliche Beschreibung seiner Behandlungsschritte nur deshalb vornahm, um seinen Patienten zu beruhigen. Ich glaubte vielmehr, er tat es, um mir die Assistenz zu erleichtern. Und ich war ihm dankbar dafür.
»Schwester, das Skalpell mit dem Horngriff.«
Ich gab es ihm, und er trennte mit einem schnellen, geschickten Schnitt die Lappenseite auf.
»Das war es schon, Signore. Ihr seht, die Stelle blutet nicht einmal. Nehmt jetzt den Arm von der Säule herunter und entspannt Euch, bevor der Dritte Akt beginnt.« Doktor Tagliacozzi ging um seinen Patienten herum und setzte sich auf einen Stuhl rechts neben ihn. »Bevor die Vereinigung zwischen dem Lappen und Eurem Nasenstumpf, die ich
copulare
nenne, beginnt, muss die Haut des Stumpfs um die Nasenlöcher herum aufgefrischt, das heißt, aufgerauht werden. Ein Vorgang, der
Narium excoratio
gerufen wird. Schwester, gebt mir das kleine Messer mit der Rundklinge und haltet dem Patienten von hinten den Kopf fest.«
Ich gab ihm das Messer, und er kratzte mit schnellen Bewegungen den Operationsbereich auf. Badoglio ertrug es mit offenem Mund, zog nur ein- oder zweimal scharf die Luft ein.
»Die oberste Hautschicht muss entfernt werden, Signore, sonst wächst später nichts zusammen, gleich haben wir’s. So, fertig. Schwester, gebt mir einen Tupfer für die Nasenlöcher und ein Tüchlein für die Umgebung, damit ich das Sickerblut fortnehmen kann. Geht es Euch noch gut, Signore?«
»Ja, ja.«
»Wir nehmen jetzt ein Stück sehr durchsichtiges Pergament und legen es über Euren Nasenstumpf. Schwester, bitte gebt mir einen Rötelstift und haltet danach den Kopf des Patienten wieder fest. Danke.«
Doktor Tagliacozzi legte das Pergament über den aufgefrischten Stumpf und zeichnete die Kontur der Nase nach.
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