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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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Eine schöne Ärztin und Chirurgin würde sie abgeben mit nur zwei oder drei Fingern an jeder Hand.
    Sie verfluchte Gabriel Danaher, sie in diese Lage gebracht zu haben. Und sie verfluchte sich selbst, eine solche Närrin zu sein. Warum hatte sie dem verdammten Iren nicht geglaubt, als er sie vor dem Schneesturm warnte? Sie war absolut sicher, daß der Mann Ausflüchte gebrauchte. Sie hatte sich benommen wie ein eigensinniges Kind, das seinen Finger auf die Herdplatte legt, um festzustellen, ob sie heiß ist. Dieser verfluchte Danaher. Und dieser dreimal verfluchte Dummkopf von einem lahmen Klepper.
    Sie bewegte die Lippen. »Verflucht! Verflucht, verflucht!« Danach war ihr etwas wohler. Die Hitze stieg ihr ins Gesicht, und ihre Lippen fühlten sich weniger taub an. Es war ja keiner in der Nähe außer Murdoch, um ihren unschicklichen Ausbruch zu kritisieren. Und wenn sie dafür in die Hölle fahren sollte, wie ihre unverheiratete Tante Eloise ihr einst angedroht hatte, würde es dort unten wenigstens warm sein.
    Ständig bohrte und trommelte sie ihre Absätze in Murdochs Flanken, um den widerspenstigen Gaul zu zwingen, den Weg ins Tal zu gehen. Der Wind trieb Schneeschauer in dichten Rockenwirbeln zur Erde, und sie konnte den Weg vor Murdochs Hufen kaum erkennen, der nur noch als weiße Einbuchtung wahrzunehmen war. Die Bäume warfen hohe, im Wind schwankende Schatten.
    Irgendwann sah Olivia den Sturm nicht mehr als lästige Unannehmlichkeit, sondern als tödliche Bedrohung an, vermutlich dann, als sie zum ersten Mal vom Weg abkam und Murdoch plötzlich vor einem unwegsamen Dickicht stand. Vielleicht aber auch erst, als Murdoch auf den steilen Serpentinen des Abstiegs an einer vereisten Stelle ausrutschte und in die Knie ging. Dabei hätte er Olivia beinahe kopfüber abgeworfen, und sie wäre den Steilhang hinuntergerutscht. Jedenfalls wurde ihr klar, daß ein Schneesturm in den Bergen von Montana etwas anderes war, als bei einem Einkaufsbummel am Broadway von einem Schneegestöber überrascht zu werden.
    Nach Olivias Berechnungen mußte heute oder morgen Erntedankfest sein. In New York schneite es häufig an diesem Feiertag. Sie dachte an die Festessen im Kreis der Familie, wenn man sich hinterher um den großen Kamin versammelte und zusah, wie die weißen Flocken an dem Fenster vorbeitanzten. Für sie waren diese Winterstürme damals grimmig gewesen; verglichen mit dem, was sie jetzt erlebte, allerdings eine Kleinigkeit.
    Nach einer Stunde war der Weg überhaupt nicht mehr zu sehen, und Pferd und Reiterin bahnten sich einen eigenen Pfad durch Bäume und Gestrüpp. Die Natur schien der einsamen Reiterin die dreiste Herausforderung übel anzukreiden und stellte den beiden unentwegt Hindernisse in den Weg.
    Der Wind trieb den Schnee in dichten Wirbeln vor sich her, Schneeverwehungen wuchsen in beängstigendem Maße, aus denen vereiste Felsbrocken ragten und Murdoch zum Stolpern brachten.
    Zu Olivias Erstaunen ging in dem Appaloosa eine Verwandlung vor, als der Abstieg wirklich beschwerlich wurde. Er pflügte sich mit stoischer Zähigkeit durch den Schneesturm. Immer wieder fand er zum Weg zurück und folgte ihm, als Olivia nur noch verschneite Umrisse der Bäume sah. Entweder hatte er begriffen, daß Olivia nicht zur Umkehr zu bewegen war, oder er gehörte zu der Sorte, die an ihrer Aufgabe wuchsen.
    Olivia leistete ihm bereits im Stillen Abbitte, als Murdoch über ein unsichtbares Hindernis stolperte und sie kopfüber in den Schnee warf. Bevor sie den Schmerz des Aufpralls spürte, wurde um sie herum alles schwarz.
     
    Amy Talbot lag auf ihrem Bett, die Augen zur reich verzierten Stuckdecke gerichtet. Das Kind bewegte sich in ihr, und sie schickte ein Dankgebet zum Himmel, daß sie es noch trug, daß es noch lebte. Sie hatte sich gewissenhaft an Olivias Anweisungen gehalten und alles getan, was für das Baby richtig war. Sie nahm drei Mahlzeiten am Tag zu sich – Gemüse, Obst und mageres Fleisch – auch wenn sie keinen Appetit hatte. Jeden Tag machte sie einen kurzen Spaziergang und bemühte sich, die Nacht durchzuschlafen. Wie aber sollte sie Schlaf finden, wenn sie immer noch nichts über Olivias Schicksal wußte.
    Der gute Sylvester hatte nach ihr gesucht. Er hatte den Marshall mobilisiert und sich sogar an der Suche nach der Vermißten beteiligt, als der Trupp die Berge durchkämmte. Jeder glaubte, sie habe sich verirrt und sei umgekommen, das wußte Amy, obwohl diese Vermutung nicht direkt ausgesprochen

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