Die Medizinfrau
sein. Du bleibst im warmen Haus. Vielleicht kann Ellen uns beiden Kochunterricht geben.«
Ellen strahlte, und Katy murmelte etwas Unverständliches in sich hinein.
»Bin ich froh, wenn ich morgen wieder da draußen sein kann.« Danaher deutete mit dem Finger in Richtung Mine.
Im Verlauf der nächsten Tage durften die Zwillinge immer mehr Stunden aufbleiben, und Olivia konnte der Versuchung kaum widerstehen, sich an ihrer Stelle ins Bett zu legen. Danaher machte zwar keine Anstalten, sie nach der ersten Nacht ihrer Rückkehr nochmal ans Bett zu fesseln, er überließ ihr aber auch nicht sein Bett. Beleidigt wickelte sie sich in eine Decke und legte sich vor den Kamin und erklärte, er könne das Bett behalten. Bald bereute sie ihre Bescheidenheit, spätestens als die Kälte vom Fußboden durch die Decke bis in ihre müden Knochen kroch. Danahers regelmäßiges, leises Schnarchen veranlaßte sie, auf Zehenspitzen zum Bett zu schleichen. Sie rollte ihre Decke zusammen und legte sie als Anstandswall zwischen sich und den Schlafenden. Doch als sie kurz vor Morgengrauen erwachte, lag die Decke über sie beide gebreitet. Sie spürte Danahers Atem, und eine seiner großen, schwieligen Hände lang auf ihrer Hüfte.
Behutsam wand sie sich unter seiner Hand hervor, ohne ihn aufzuwecken und stand auf. Sie legte ein Holzscheit nach, hängte die Kaffeekanne über die Glut, wickelte sich in die Decke und setzte sich in den Schaukelstuhl, um den Morgen zu erwarten, während die anderen selig schliefen.
Weder auf dem Fußboden noch im Stuhl fand sie länger als ein paar Minuten unruhigen Schlaf. Doch Danahers Bett barg Gefahren, die ernster waren als schlechter Schlaf. Ihre Hüfte war noch warm, wo seine Hand gelegen hatte, und Olivia behagte das prickelnde Gefühl keineswegs, das mehr war als nur die Abwesenheit von Kälte.
Schlaflose Nächte im Stuhl schienen jedenfalls die klügere Wahl zu sein. Olivia seufzte. Sie mußte sich wohl oder übel auf eine längere Wartezeit einrichten, bevor der Weg ins Tal wieder frei war.
Beim Abendessen am dritten Tag – einen von Ellen zubereiteten ›Cowboy-Auflauf‹ verkündete Danaher, daß er ein paar Tage auf die Jagd gehen werde.
»Ich muß noch ein paar Hirsche oder Elche nachhause schaffen, bevor sie alle ins Tal abwandern. Die meisten hat der frühe Wintereinbruch vermutlich schon vertrieben.«
»Ich komme mit, Pa«, jubelte Katy.
»Nein, du bleibst da. Du bist grade erst wieder gesund.«
»Pa! Es geht mir schon viel besser.«
»Das weiß ich, mein Schatz. Sonst würde ich mich nicht darauf verlassen, daß du die Frau Doktor daran hinderst, den Abstieg zu wagen, sollte es nach den Schneefällen der letzten Tage wieder tauen. Wir wollen vermeiden, daß unser Gast sich in eine Situation begibt, mit der er nicht fertig wird.« Danaher grinste Olivia unverschämt an.
»Es hat in den letzten drei Tagen fast ständig geschneit«, entgegnete Olivia. »Warum gehen Sie zur Jagd und verbieten mir, ins Tal zu gehen?«
»Weil ich auf mich aufpassen kann, im Gegensatz zu Ihnen.«
»Und wieso passen Sie nicht auf uns beide auf und nehmen mich mit? Wir könnten den Weg hinunterreiten und nachsehen, ob die Lawine schon geschmolzen ist, und auf dem Rückweg können Sie dann Ihr Wild schießen.«
»Es ist noch keine Woche her, daß die Lawine abgegangen ist. Der Bach hat sich noch nicht durch die Schneemassen gefressen. Vielleicht bekommen wir einen Wärmeeinbruch, der den Schnee schmilzt.«
»Es kann doch nicht schaden, nachzusehen.«
»Es wäre Zeitverschwendung. Außerdem habe ich heute ein Hirschrudel auf der anderen Seite des Tales gesehen. Vermutlich sind sie morgen noch in der Gegend.«
Olivia seufzte verärgert.
»Auf dem Rückweg schaue ich nach der Lawine, Doc. Sie bleiben hier und passen auf die Kinder auf.«
»Ich dachte, sie sollen auf mich aufpassen.« Olivia hob eine Augenbraue. »Wie Gefängniswärterinnen.«
»Sie sorgen dafür, daß ihre Gesundheit weiter Fortschritte macht, und die beiden sorgen dafür, daß Sie sich nicht umbringen.«
Vermutlich treiben sie mich in den Selbstmord, dachte Olivia im Stillen.
Katy saß mit übereinandergeschlagenen Beinen nach Indianerart auf ihrer Pritsche, das Kinn in die Hand gestützt, und blickte aus dem Dachfenster. Der Morgenhimmel war von seidigem Grau, die Sonne nicht mehr als ein Versprechen hinter den Berggipfeln. Es würde ein schöner Tag werden, und sie war in der Hütte eingesperrt, um auf diese Frau
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