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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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ihre Hände zu befreien.
    »Pa, die Sonne scheint!«
    Der Vorhang wurde zurückgezogen und gab zwei erstaunte Kindergesichter frei. Danaher fuhr aus dem Schlaf hoch. In einer einzigen, reflexartigen Bewegung fuhr seine Hand zur Pistole im Halfter über dem Bettgestell.
    »Pa!« entfuhr es den Kinderlippen. Die Zwillinge erschraken nicht über die Pistole in der Hand des Vaters. Ihre runden Augen waren auf die ans Bett gefesselte Frau gerichtet.
    Olivia wäre am liebsten in den Erdboden versunken.
    »Wie oft habe ich euch gesagt, ihr sollt mich nicht im Schlaf erschrecken.« Er schob die Pistole wieder in den Halfter und schaute auf Olivia hinunter, als erinnere er sich jetzt erst, daß sie auch noch da war. Ungerührt deckte er ihre nackten Beine zu.
    »Pa!« entfuhr es Katy vorwurfsvoll. »Was tust du da?«
    »Ich versuche zu schlafen, ohne daß die da« – damit deutete er mit dem Finger auf Olivia – »sich mitten in der Nacht aus dem Haus schleicht, und ohne daß ihr zwei hier herumturnt, statt im Bett zu bleiben, wo ihr hingehört. Und beide barfuß! Wo sind die Mokassins, die Eichhornfrau für euch gemacht hat?«
    »Irgendwo.«
    »Dann sucht sie. Du auch, Ellen.«
    Die beiden Mädchen schauten von ihrem Vater zu Olivia. Katy kniff die Lippen aufeinander und runzelte die Stirn.
    »Hast … hast du sie geheiratet, Pa?« brachte sie schließlich hervor.
    Danaher machte ein verdattertes Gesicht. Dann lachte er. »Nein, Katy. Ich habe die Frau Doktor nicht geheiratet.«
    »Du hast gesagt, Damen dürfen nur mit Männern schlafen, wenn sie verheiratet sind.«
    »Wir haben nicht zusammen geschlafen wie verheiratete Leute. Es gibt nur ein großes Bett, und ich wollte nicht auf dem Fußboden schlafen.« Er lachte in sich hinein. »Außerdem hielt ich es für besser, sie festzubinden, damit sie nicht wieder fortlaufen kann. Wollt ihr die ganze Nacht an einen Stuhl gebunden sein?«
    Katy lächelte gehässig.
    »Sucht eure Mokassins, und ich mache uns Frühstück. Du auch, Ellen.«
    »Ich zieh mich an und seh nach Murdoch.«
    »Du ziehst deinen warmen Morgenrock an, und nach dem Frühstück gehst du wieder ins Bett.«
    »Pa!«
    »Tu, was ich dir sage.«
    Katy trottete trotzig fort. Ellen blieb lächelnd am Bett stehen.
    »Ich mache Frühstück, Papa.«
    »Nein, Ellen. Ihr beide müßt euch noch ein paar Tage schonen.«
    »Aber Pa! Das Haus ist ein Saustall. Du hast gesagt, du mußt wieder in der Mine arbeiten. Die Wäsche muß gewaschen werden und …«
    »Ich bin sicher, Doktor Baron ist in der Lage, ein paar Tage einen Haushalt mit zwei Kindern zu führen.«
    Ellen schaute Olivia finster an, bevor sie hinter ihrer Schwester hertrottete. Olivia wollte die Decke über den Kopf ziehen und nie wieder aufwachen. Der Tag versprach kein guter zu werden.

Kapitel 8
    Die folgenden drei Tage bestätigten Olivia, daß ihre Berufswahl bei allen Vorurteilen und Hindernissen, die sie zu überwinden hatte, weitaus leichter für eine Frau war, als einen Haushalt zu führen und Kinder zu erziehen. Schneefall und abwechselnder Sonnenschein verwandelten das Gebirgstal des Thunder Creek in kniehohen Schneematsch und begruben Olivias Hoffnung, den Abstieg zu wagen. Gabe verbrachte seine Tage wieder in der Mine, wissend, daß nicht einmal Olivia so leichtsinnig sein würde, den Abstieg unter den gegebenen Bedingungen zu wagen. Sie war den ungezogenen Gören auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, die nicht länger im Bett zu halten waren.
    Als Danaher zum ersten Mal im Minenschacht verschwand, fragte Olivia sich bang, wie er es über sich bringen konnte, wieder in den engen, dunklen Schlund zu kriechen. Enge, geschlossene Räume waren ihr seit jeher ein Greuel, und der bloße Gedanke, in einem Bergwerksstollen zu stecken, jagte ihr Schauer den Rücken entlang. Doch nach wenigen’ Stunden hätte sie lieber Zuflucht in dem schwarzen Schlund gesucht, als mit Katy und Ellen in der Hütte eingesperrt zu sein.
    Ellen war der Meinung, sie würden alle in der Unordnung ersticken, wenn sie sich nicht um das Hauswesen kümmerte. Nur die Drohung, Danaher aus dem Schacht zu holen, hielt sie im Bett. Von dort verlieh sie ihrem Ärger Ausdruck und kritisierte jeden Handgriff, den Olivia machte. Und es gab eine Menge zu kritisieren, gestand Olivia. Sie war in einem wohlhabenden Elternhaus in New York aufgewachsen, wo Dienstboten sich um Arbeiten wie Holzhacken, Feuermachen, Putzen, Waschen, Kochen und Ricken kümmerten. Während ihres Medizinstudiums hatte

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