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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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verkehren. In Städten wie Elkhorn versammeln sich eben alle Schichten. Der ganze Westen ist so. Es gibt keinen Schutz vor lästigem Pöbel.«
    Olivia blickte zu Gabriel Danaher hinüber, der sich für Schürfgeräte interessierte. »Wer ist denn dieser lästige Mensch?«
    »Sein Name ist Gabriel Danaher, und er ist Gesindel. Sylvester riet mir, auf die andere Straßenseite zu gehen, wenn ich ihm in der Stadt begegne. Mary Kate Loudon sagte, er lebt in den Bergen mit zwei indianischen Flittchen. Mit zwei Frauen! Kannst du dir das vorstellen?« kicherte sie hinter vorgehaltener Hand. »Sylvester würde mich schelten, wenn er wüßte, daß ich mir solchen Klatsch anhöre. Seiner Meinung nach darf eine Dame sich nicht damit beschmutzen. Jedenfalls hat dieser Mr. Danaher eine Mine in den Bergen und kommt nur selten in die Stadt. Und seinen Harem bekommt man nie zu Gesicht; doch Mary Kate schwört, die beiden einmal gesehen zu haben.«
    »Ja, nun …« Olivia wischte ein imaginäres Stäubchen vom Ärmel. »Zwei Frauen. Das ist ungewöhnlich. Ich habe davon gehört, daß Indianer manchmal mehr als eine Ehefrau haben.«
    »Aber sie können nicht seine Ehefrauen sein, Olivia. Er ist schließlich ein Weißer.«
    »Wenn ein Weißer mit einer Indianerin zusammenleben kann, sollte er sie auch heiraten können.«
    Amy lächelte kopfschüttelnd. »Ich bin sicher, diese Sorte macht sich keine Gedanken darüber, was er tun sollte. Die meisten Goldschürfer in der Gegend werden vom Gesetz gesucht. Vermutlich hat auch er irgendwo ein Verbrechen begangen, und man ist hinter ihm her.«
    Olivia machte eine Handbewegung, als wolle sie das Thema wegwischen. Es war bedeutungslos, und sie hatte keine Lust, ihre Zeit mit Gedanken an einen Fremden zu verschwenden, der sie nichts anging. »Denk an Sylvester. Wir verspäten uns.«
    »Ach, ich verspäte mich ständig. Der Baumwolldruck, den Mr. Shriner für mich zurückgelegt hat, ist entzückend. Er wird ihn noch heute nachmittag liefern. Ich kann es kaum erwarten, die Vorhänge fürs Kinderzimmer zu nähen. Ein bezauberndes Muster, gelbe Butterblumen mit grünen Ranken …«
    Olivia lächelte liebevoll und verließ hinter Amy das Geschäft.
    Auf der Straße konnte sie nicht widerstehen, einen letzten Blick durch die Glastür in den Laden zu werfen, und begegnete Gabriel Danahers Augen. Hastig wandte sie sich um und eilte hinter Amy her.
     
    Gabe Danaher, an anderen Orten und zu anderer Zeit als Will O’Connell bekannt, blickte den beiden Frauen nach, die den staubigen Gehsteig entlangeilten. Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem dünnen Lächeln. Olivia. Der Name paßte zu der Frau. Er klang wie der Name einer steifen, zänkischen Großmutter. Sie sah zwar nicht aus wie eine Großmutter, doch das Steife und Zänkische hatte sie jetzt schon.
    Henry Shriner kam aus dem Hinterzimmer. »Haben Sie den richtigen Sprengstoff gefunden, Gabe?«
    »Den finde ich nie.«
    »Wie bitte?«
    »Ja, Henry. Bei der Munition, wie Sie sagten.« Er hob eine schwere Kiste auf den Ladentisch. »Was macht das?«
    Während Henry die Summe kassierte und stolz von der neuen Registrierkasse schwärmte, die er angeschafft hatte, und die demnächst von der National Cash Register Company geliefert werden würde, blickte Gabe erneut aus dem Fenster. Die Damen waren verschwunden. Was hatte ihn dazu getrieben, sich mit der mageren grauen Maus anzulegen? Er war ein zurückhaltender Mann – eine Gewohnheit, die ihm in den letzten beiden Jahren zur Notwendigkeit geworden war – und er war gewiß nicht einer, der sich prüden Bürgersfrauen aufdrängte. Vielleicht hatte er sie angesprochen, weil sie so lächerlich in dem Hütchen ausgesehen hatte. Oder war sein Interesse angestachelt worden, weil ihre dunkle Kleidung und ihr streng nach hinten gekämmtes Haar nicht zu ihrem jugendlich rosigen Gesicht und dem offensichtlichen Vergnügen paßte, mit dem sie das Hütchen probierte?
    »Ist das alles für heute, Gabe?« Henry folgte Gabes Blick aus dem Fenster. »Gibts da draußen was zu sehen?«
    »Was? Nein. Ich war nur in Gedanken.«
    »Ist das alles?«
    »Nein. Ich brauche noch Mehl, Schinken, Bohnen, Salz, Natriumkarbonat …« Gabe nestelte eine Liste aus der Brusttasche seines Hemdes. »Und geben Sie noch ein paar von diesen roten Bändern dazu.«
    Henry überflog den zerknitterten Zettel. »Bleiben Sie länger in der Stadt?«
    »Ich reite heute abend zurück.«
    »Wenn Sie später nochmal reinschauen, habe ich alles in

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