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Die Medizinfrau

Die Medizinfrau

Titel: Die Medizinfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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Jutesäcke verpackt, die sie über den Sattel hängen können.«
    »Gute Idee.« Er blickte erneut aus dem Fenster. »Dann werde ich mir wohl einen Drink genehmigen.«
    »Das vertreibt die Novemberkälte aus den Knochen.«
    Gabe schlenderte die staubige Straße zum Silver Pick Saloon entlang. Wie das angrenzende Haus der Freimaurerloge war der Saloon eines der wenigen Gebäude in Elkhorn, Montana, das sich nicht mit einer falschen Fassade schmückte. Beide Häuser wiesen vier stabile Holzwände auf, nicht nur eine aufgeputzte Frontseite, hinter der sich eine grob gezimmerte Holzhütte verbarg. Der Holzfußboden im Saloon war mit Stroh bedeckt, um verschüttetes Bier, Schnaps und Essensreste aufzunehmen, aber auch schlecht gezielten Auswurf von Tabakspfriem, der den Spucknapf verfehlte.
    Gabe setzte sich der Tür gegenüber mit dem Rücken zur Wand. Ein Mädchen kam an seinen Tisch und schürzte kokett den Rock.
    »Was zu trinken?«
    »Whiskey.«
    »Flasche?«
    »Ein Glas genügt mir.« Gabe trank selten. Er hatte zusehen müssen, wie sein Vater sich zu Tode soff. Danach hatte seine Mutter ihre Kinder gepackt und sie an Bord eines Schiffes geschleppt, das von Irland nach New York segelte. Doch jetzt brauchte er einen Whiskey.
    Das Mädchen lächelte ihn schief an. »Kommt sofort.« Ein fehlender Vorderzahn machte ihr Lächeln eher komisch als einladend, doch ihre Augen leuchteten warm und freundlich. Sie roch zwar nach Schweiß, und ihr Hals wies einen Trauerrand auf, doch dieser unterkühlten Olivia könnte sie eine Lektion in natürlicher Herzlichkeit geben. »Sonst noch was, Mister?«
    »Im Moment nicht, danke.«
    »Was es auch sei, vergessen Sie mich nicht dabei.«
    Wieder dachte er an die Frau aus der Gemischtwarenhandlung. Seltsam, ihre Augen wirkten viel jünger als ihr Gesicht, oder vielleicht lag es einfach an ihrem steifen Benehmen, daß sie älter wirkte. Sie konnte Anfang Zwanzig, aber auch Ende Dreißig sein. Nicht daß es ihn kümmerte. Er hatte keine Ahnung, warum er überhaupt einen Gedanken an sie verschwendete.
    Er lachte in sich hinein und kippte den Stuhl schräg nach hinten gegen die Wand. Seine Mutter, eine wohlerzogene, feine Frau, die auch in der Armut eine Dame geblieben war, hatte ihm einmal etwas von Seelenverwandtschaft erklärt. Wenn er eines Tages dem braven, irischen Mädchen begegnen würde, das für ihn bestimmt war, würde er seine Augen nicht mehr von ihr wenden können. So war es ihm mit Minnie ergangen. Er war überzeugt, seine Mutter wäre mit der ›Frau vieler Pferde‹ einverstanden gewesen, auch wenn das Schwarzfußmädchen gar nicht irisch war.
    Trauer senkte sich wieder über Gabe – wie immer – wenn er an seine Frau dachte. Da war es schon besser, an das kleine Pulverfaß von einer Frau zu denken, die versucht hatte, ihm bei Shriner den Kopf zu waschen.
    »Hier, dein Whiskey, Schatz.« Das Barmädchen lächelte ihn wieder mit ihren Zahnlücken an. Er nickte nur, und sie entfernte sich. Da er nichts Besseres zu tun hatte, schaute Gabe ihrem hüftschwingenden Rock nach, als sie sich durch die volle Kneipe schlängelte. Und dann wurde er von einer lauten Fluchkanonade abgelenkt.
    »Du beschissener Grünschnabel! Was heißt das, du hast nicht genug Geld?«
    »Ich … ich …«
    An einem Tisch neben der Bar stammelte ein junger Kerl mit rosigem Gesicht hilflose Entschuldigungen. Seine Kleidung und blitzblanke, neue Stiefel wiesen ihn als Neuankömmling aus zivilisierter Gegend aus.
    »Aber ich hatte doch genug bis zum letzten Spiel. Und ich war sicher, daß ich mit diesem Blatt gewinne. Mein Gott, ich konnte doch nicht ahnen, daß Sie einen Royal Flush haben!«
    So wie Gabe den Gegenspieler einschätzte, hatte er jede Chance, einen Royal Flush vorzulegen.
    »Wenn du dich mit Dan Kyle einläßt, bezahlst du deine Spielschulden, Grünschnabel.«
    Das Bürschchen nestelte in seiner Westentasche. »Ich habe eine Taschenuhr. Eine gute. Die können Sie haben.«
    »Eine Taschenuhr.« Dan Kyle äffte den flehenden Tonfall des Jungen nach, zum Vergnügen anderer Gäste, die lüstern zuhörten. »Die verdammte Uhr kann ich haben!« Er strafte sein Opfer mit einem tödlichen Blick. »Das reicht nicht.«
    Der Junge schob seinen Stuhl zurück und stand auf. »Draußen steht mein Pferd.«
    »Reicht nicht.«
    »Der Gaul ist mindestens fünfzig wert.«
    »Du hast auf zweihundert erhöht.«
    »Sie bekommen das Geld!«
    »Ich zieh dir das Fell über die Ohren, Bürschchen.«
    Gabe hielt nicht

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