Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy
würde mich noch ewig verfolgen. Um meinen inneren Frieden wiederzugewinnen, fiel mir kein besseres Mittel ein, als ihr am nächsten Tag einen Besuch abzustatten.
Ich beschloss, zu Fuß zu gehen. Während ich mich unterwegs redlich bemühte, auf der einen Seite den rasenden Autos und auf der anderen den offenen Gullys auszuweichen, konnte ich nicht umhin zu staunen, wie rasant sich Umuahia in den wenigen Jahren entwickelt hatte, seit Abia State sich von Imo State gelöst hatte und diese unbekannte kleine Stadt zur Hauptstadt des neuen Staates geworden war. Es gab viel mehr Autos auf den Straßen und Neonschilder vor neuen Geschäften. Es gab immer mehr Plakate, welche von allen Seiten für politische Pläne warben. Die armen Teufel, die angeheuert wurden, die Plakate aufzuhängen, ließen wirklich keine Fläche aus. Kandidatengesichter klebten auf Straßenschildern und über den Gesichtern ihrer Konkurrenten. Selbst auf Mülleimern prangten Gesichter. War diesen Leuten nicht klar, was für eine unterschwellige Botschaft ein hoffnungsvoller Kandidat verbreitete, wenn er den Leuten von einem Behältnis entgegenlachte, das eigens für Müll hergestellt worden war? Vielleicht waren die meisten von ihnen nicht zur Schule gegangen.
Ein rotes Auto schoss vorbei und fegte mich beinahe von der Straße.
» Hei! «, rief ich aus, während ich mich bemühte, nicht in die Gosse zu stürzen.
Diese Gegend war überwiegend von Beamten und Händlern bewohnt. Die protzigsten Autos, die hier gefahren wurden, waren Mercedes-Benz der E-Klasse . Und wer ein so außerirdisches Modell fuhr, musste entweder mit menschlichen Organen handeln oder ein 419er sein, jemand, der Männer und Frauen in fernen Ländern um ihr Geld brachte und damit gegen den Paragraphen 419 des nigerianischen Strafgesetzbuchs verstieß, in dem es um betrügerisches Handeln geht.
»Verbrecher!«, zischte ich dem blitzenden Wagen hinterher. War diese Straße vielleicht von seinem schmutzigen Geld gebaut worden?
Ola und ich hatten diesen Weg zwischen ihrem und unserem Haus bereits mehrmals zurückgelegt. Spätabends war er am angenehmsten, wenn weniger Autos unterwegs waren, wenn die übellaunige Sonne Abschied nahm, wenn eine frische Brise die Haut anfächelte. Mit Ola spazieren zu gehen war wunderschön. Wir schlenderten gemächlich vor uns hin und redeten über Gott und die Welt, über unsere Träume, unsere Ängste, darüber, was wir tagsüber erlebt und womit wir unsere Zeit verbracht hatten. Gewöhnlich war ich derjenige, der sich über ernste Probleme verbreitete. Doch dann und wann schnitt auch sie schwerwiegende Themen an.
»Heute hat mich meine Mutter ein paar Dinge über dich gefragt«, sagte sie irgendwann gegen Ende meines Studiums.
»Ach, wirklich? Was wollte sie denn wissen?«
»Sie hat mich gefragt, wieso ich sicher bin, dass du mich noch heiraten willst, wenn du mit der Uni fertig bist und eine gute Stelle bei einer Ölgesellschaft hast.«
Ich lachte. Olas Lachen war viel leiser.
»Sie hat sich darüber ausgelassen, wie sie ihr Leben damit verschwendet hat, meinem Vater alles recht zu machen, und eines Tages hat er sie wegen einer anderen verlassen.«
Ich hörte auf zu lachen. Es war eine schmerzvolle Erfahrung für sie gewesen. Nach der Geburt der ersten beiden Mädchen hatte Olas Vater laut und deutlich verkündet, dass er als Nächstes einen Jungen wolle. Drei Mädchen später bandelte er mit einer anderen Frau an, die sich allerdings nur bereit erklärte, Söhne zu gebären, wenn er sie heiratete. Ohne seine bereits vorhandene Familie zu informieren, bezahlte Olas Vater den Brautpreis, richtete eine traditionelle Hochzeit aus und zog zu ihr. Bisher hatte die neue Frau zwei muntere kleine Mädchen hervorgebracht.
»Wie kommt sie darauf, mich für so wankelmütig zu halten?«, fragte ich entrüstet. »Offensichtlich weiß sie nicht, wie viel du mir bedeutest.«
»Das habe ich ihr auch gesagt.« Ola lächelte und knetete meine Hand.
Doch ihr lag noch etwas anderes auf der Seele. Nach ein paar Schritten in Stille kam es heraus.
»Kings, aber wieso hast du mir dann noch keinen Ring geschenkt?«, fragte sie.
»Schatz, ich muss dir keinen Ring schenken, damit du weißt, wie sehr ich dich liebe«, gurrte ich zur Antwort.
»Ich weiß, aber andere Leute sehen das vielleicht nicht so. Die denken vielleicht, wir meinen es gar nicht ernst miteinander.«
Wie üblich hatte sie den Nagel auf den Kopf getroffen. Mein nächstes Taschengeld war für
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