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Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
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schimpfen. Mir fiel mein Besuch in der Kirche ein: die Predigt und die Art, wie der Reiche mit Lazarus gesprochen hatte. Mein Zorn wuchs. Bildete Onkel Boniface sich ein, nur weil er meiner Familie Bröckchen von seinem gewaltigen Vermögen gegeben hatte, könnte er mir so etwas Beleidigendes antragen?
    »Onkel Boniface, tut mir leid«, sagte ich schärfer, als es einem Wohltäter gegenüber eigentlich zukam. »Ich bin für die Art von Geschäften nicht gemacht. Ich habe ein Studium abgeschlossen und ich beabsichtige, mir eine gute Stelle zu suchen und später weiterzustudieren. Ich wollte schon immer meinen Doktor machen, und genau das werde ich …« Ich hielt inne, als Cash Daddy sich geradezu ausschüttete vor Lachen.
    »Kingsley«, sagte er, mühsam nach Luft schnappend, »was hast du noch mal studiert?«
    »Chemie-Ingenieurwesen.«
    »Gut, sehr gut. Das heißt, du bist gut in Mathematik.«
    Ich würdigte ihn keiner Antwort.
    »Kennst du dich gut mit Zahlen aus?« Wieder sagte ich nichts.
    »Nun sag schon. Kennst du dich gut mit Zahlen aus?«
    »Allerdings«, antwortete ich nun doch. »Ich bin sehr gut im Rechnen.«
    »Weißt du, wie man eine Million Naira schreibt? Weißt du, wie viele Nuller sie am Ende hat?«
    »Sie hat sechs Nullen«, plapperte ich los, ohne nachzudenken.
    »Hast du, außer wenn du im Seminar den Rechner benutzt hast, jemals bei irgendeinem Anlass eine Million Naira hingeschrieben? Hast du jemals gerechnet, wie viel Geld du ausgeben wolltest, und es kam eine Gesamtsumme von einer Million Naira heraus?«
    Er wartete nicht auf eine Antwort von mir.
    »Deine ganze Bildung, die du dir bis jetzt angeeignet hast, was hat sie dir denn bis heute gebracht? Haben die ganzen großen, großen Summen, die du an der Uni in deinen Rechner eingetippt hast, zur Folge gehabt, dass du mit genauso großen Summen in deiner eigenen Tasche rechnen konntest? Oder auf deinem eigenen Bankkonto? Oder in anderen Währungen?«
    Er zischte. Sein Ton war eine fein abgestimmte Mischung aus Verachtung und Belustigung.
    »Weißt du was? Ich habe gegen Armut nichts einzuwenden, solange sich jemand freiwillig dafür entschieden hat. Aber sieh dich doch an. Es wird nicht mehr lange dauern, dann wirst du mit der Blechdose auf der Straße stehen und betteln. Merk dir, man bekommt nicht den Mund mit Essen voll, indem man bei anderen zwischen den Zähnen pult. Dein ganzes Bücherwissen, … hast du deshalb neulich diese Spießerschuhe angehabt? Sieht deine Schwester deshalb so aus, als hätte sie seit Weihnachten nichts mehr gegessen? Trägt deine Mutter deshalb den Stoff, den andere Frauen in den Sechzigern getragen haben?«
    Er zischte abermals.
    »Ich muss mir nur meine Schwester anschauen. Heute im Krankenhaus sah sie bald dreißig Jahre älter aus, als sie ist. Schaffst du mit deinem ganzen Bücherwissen Essen auf den Tisch? Wie viele Leute ernährst du jeden Monat? Wie viele Leute entlohnst du jeden Monat? Eh? Sag mir das.« Er grinste höhnisch. »Du Zuckermäulchen. Du isst keine Ratten, sagst du, aber ihren Schwanz willst du doch probieren. Komm mir bitte nicht mit diesem ganzen dummen Bildungsgerede. Mit Filmtricks gebe ich mich nicht ab. Ich glaube an Action, live und sofort.«
    Je mehr er redete, umso gerader saß ich auf dem Stuhl. Er war fast so überzeugend wie das Einmaleins.
    Mein Vater war gebildet und ehrlich. Und doch konnte er weder seine Familie ernähren noch seine Kinder einkleiden. Meine Mutter war ebenfalls gebildet, und ihr Leben war durch die Bildung nicht eben besser geworden. Ich dachte an die Freunde meines Vaters, die größtenteils klapprige Autos fuhren, … an die meisten meiner Dozenten an der Uni mit ihren abgetragenen Sachen und ihren verzweifelten Versuchen, den Hunger abzuwenden, indem sie den Studenten überteuerte Arbeitsblätter verkauften. Onkel Boniface jedoch, unser Retter in der Not, hatte nicht einmal einen höheren Schulabschluss. Doch die hehren Worte meines Vaters aus früheren Zeiten fielen mir ein und ließen in meinem Kopf die Warnsirenen schrillen.
    »Onkel Boniface, du kannst spotten, so viel du willst, aber schon in der Bibel steht, dass auf lange Sicht Weisheit besser ist als Silber und Gold.«
    Diesmal schüttete er sich so lange vor Lachen aus, dass es den Eindruck machte, als würde ihm gleich das Fett im Gesicht schmelzen und auf den Boden tropfen. Er war dem Ersticken nahe und rang nach Luft.
    »Ah, du denkst wohl, ich würde die Bibel nicht ebenfalls kennen? Oder hast

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