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Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy

Titel: Die meerblauen Schuhe meines Onkels Cash Daddy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adaobi Tricia Nwaubani
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du noch nie die Geschichte von dem armen, weisen Mann gehört?«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete. Gehörte das zu seinem unerschöpflichen Repertoire von Igbo-Sprichwörtern, oder meinte er wirklich eine Geschichte aus der Bibel? Oder etwa sogar die Geschichte von dem reichen Mann und Lazarus? Soweit ich mich entsinnen konnte, war nirgends davon die Rede, Lazarus sei weise gewesen.
    Er sah die Verwirrung auf meinem Gesicht.
    »Ah, ah? Ich dachte, du wärst es, der hier studiert hat. Du wärst der Gebildete und kennst dich in der Bibel aus. Na schön, warte.«
    Mit meinen Knien als Gegenhalt stemmte er sich hoch. Er schritt selbstgewiss zum Bücherregal und zog eine ledergebundene Bibel heraus. Er kehrte an seinen Platz zurück und ließ die Heilige Schrift in meinen Schoß fallen.
    »Schlag den Prediger Salomo auf«, wies er mich an. Ich tat es.
    »Kapitel neun.«
    Ich blätterte es auf.
    »Lies Vers vierzehn bis sechzehn.« Ich tat es.
    »Da war …«
    »Nein, nein, nein. Du musst es nicht vorlesen. Lies es still für dich. Ich kenne es ja schon. Du mit deinem ganzen Bücherwissen bist derjenige, der es hören muss.«
    Ich machte den Mund zu und las nur mit den Augen.

    Da war eine kleine Stadt und wenig Männer darin, und es kam ein großer König, der belagerte sie und baute große Bollwerke gegen sie. Und es fand sich darin ein armer, weiser Mann, der hätte die Stadt retten können durch seine Weisheit; aber kein Mensch dachte an diesen armen Mann. Da sprach ich: Weisheit ist zwar besser als Stärke, doch des Armen Weisheit wird verachtet, und auf seine Worte hört man nicht.

    Wenig beeindruckt las ich bis zum Ende des sechzehnten Verses. War es nicht Shakespeare, der gesagt hatte, dass selbst der Teufel die Schrift zu zitieren vermag, wenn es seinen Zwecken dient?
    »Leute wie ihr könnt studieren und euch das Hirn mit Bücherwissen zustopfen, aber es sind nach wie vor Leute wie wir, die das Geld haben, das eure Familien ernährt.«
    Er lachte. Sein Gelächter zehrte mir langsam an den Nerven.
    »Onkel Boniface, bitte. Mein Vater wäre niemals damit einverstanden.«
    »Kings, wir reden über Geld«, sagte er ärgerlich. »Zu dem Thema haben arme Männer nichts zu sagen.«
    Mit dieser letzten abfälligen Bemerkung hatte Onkel Boniface die Grenze überschritten. Er hatte kein Recht, so von meinem Vater zu sprechen.
    »Onkel Boniface, mein Vater mag arm sein«, sagte ich mit anschwellendem Zorn, »aber wenigstens wird er immer für seine Ehrlichkeit im Gedächtnis bleiben.«
    »Ist Ehrlichkeit eine Leistung? Charakter ist eines, Leistung ist etwas anderes. Was hat dein Vater geleistet? Wie viel Geld hinterlässt er euch, wenn er stirbt? Oder willst du seine Lehrbücher sammeln und sie eines Tages deinen eigenen Kindern vermachen?«
    Ich saß da und starrte diesen Angeber ungläubig an. Mein Vater hatte einmal gesagt, dass Menschen, die keine gute Schulbildung hatten, ewig Wut auf die hegten, die eine genossen hatten. Dieser Mann war ein Kübel voll Galle. Ein wahrhafter Wolf im Schafspelz. Ich beschloss zu gehen, bevor der Blitz in das Gebäude einschlug. Ich erhob mich und warf die Bibel auf den Schreibtisch.
    »Onkel Boniface, tut mir leid, aber wenn du fertig bist, gehe ich jetzt.«
    Er lachte sanft wie ein Apostel, der unter Menschen zu leiden hatte, die sehr wenig von seiner weltverändernden Botschaft verstanden.
    »Lass dir Zeit. Sei nicht wie der Mann, der Gras mäht und gern Palmnüsse isst, aber nicht gern auf Palmen steigt. Ich bin zwar ein sehr reicher Mann, aber hin und wieder kann ich mich auch in Geduld üben.«
    Ich stampfte aus dem Zimmer und schlug die Tür hinter mir zu. Ich stürmte die Treppe hinunter und in das Schlafzimmer, wo Charity immer noch Schokoladenkekse mampfte. Das Eis hatte sie schon verdrückt.
    »Komm mit!«, befahl ich.
    Charity riss die Augen auf wie ein erstauntes Kätzchen. Dann musste sie den Nachdruck in meinem Gesicht bemerkt haben, denn sie stand hastig auf, die restlichen Kekse noch in der Hand. Die anderen beiden Mädchen wandten nicht die Augen von dem MTV-Bildschirm. Ich packte Charity beim Arm und trat eilig den Rückzug an.

17

    Schließlich entschied der Arzt, dass mein Vater nach Hause dürfe. Er meinte, sein Zustand sei stabil, nach und nach werde er seine Muskeln und seine Sprache wieder gebrauchen lernen, auch wenn es zu einer vollständigen Genesung bis zu zwei Jahren dauern konnte. Da wir uns keine zusätzliche Physiotherapie leisten konnten,

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