Die Meerhexe
als hätten sie ein Herz für Witwen und Waisen, waren allesamt im Besitz einwandfreier Papiere, die sie als irgendwelche Ölexporten auswiesen. Daß sie Experten waren, stand außer Frage. Aber ebenso stand außer Frage, daß keiner von ihnen Erdöl von Salatöl unterscheiden konnte. Sie waren Experten im Tauchen, in Unterwassersabotage sowie im Umgang mit hochexplosiven Sprengstoffen und Waffen aller Art.
Unmittelbar nachdem der erste Helikopter wieder gestartet war, landete der zweite. Abgesehen vom Piloten und Copiloten waren keine Personen an Bord. Dafür aber eine große Auswahl von Verteidigungswaffen aus dem Arsenal in Florida, deren Diebstahl bis jetzt noch in keiner Zeitung gestanden hatte. Die Mannschaft der Bohrinsel beobachtete die Ankunft der zwanzig Männer und der Waffen ohne große Verwunderung. Sie waren das Ungewöhnliche gewöhnt – unerklärliche, überraschende Dinge gehörten zu ihrem täglichen Leben. Menschen, die auf Bohrinseln arbeiten, gehören einer besonderen Rasse an, und die Männer des Lords bildeten wiederum eine spezielle Untergruppe dieser Rasse.
Lord Worth rief alle zusammen und berichtete von der Drohung gegen die Meerhexe und den Verteidigungsmaßnahmen. Seine Pläne wurden von der Crew einhellig gutgeheißen, denn jedem einzelnen war sein Leben genauso teuer wie anderen Menschen auch. Lord Worth beendete seine Ansprache mit den Worten, er wisse, daß es unnötig sei, ihnen extra das Versprechen abzunehmen, absolutes Stillschweigen zu bewahren.
In dieser Hinsicht konnte er wirklich vollkommen sicher sein. Obwohl alle Männer erfahrene Ölleute waren, gab es kaum einen in der Gruppe, der nicht schon unliebsame Bekanntschaft mit der Polizei gemacht hatte. Es waren ehemalige oder auch geflohene Sträflinge unter ihnen, dann solche, mit denen die Gesetzeshüter gern einmal ein paar Worte gewechselt hätten, oder wieder andere, die auf Bewährung entlassen worden waren und gegen die Auflagen verstoßen hatten. Für all diese Männer konnte es kein sichereres Versteck geben als die Meerhexe und Lord Worths privates Motel, in dem sie ihre Freizeit zubrachten. Kein Gesetzeshüter, der seine Sinne beieinander hatte, würde es je wagen, die Achtbarkeit und Integrität eines der größten Ölbosse der Welt in Frage zu stellen, und ganz automatisch bezog man in diese Vorstellung von Unantastbarkeit auch diejenigen mit ein, die für ihn arbeiteten. Mit anderen Worten: dank der Hilfe von Commander Larsen hatte Lord Worth immer eine aufs sorgfältigste ausgesuchte Mannschaft.
Die Unterbringung der zwanzig Neuankömmlinge und der Waffen stellte kein Problem dar. Wie viele Bohrinseln hatte auch die Meerhexe zwei Quartierzonen und Messen: einmal für Mitarbeiter aus der westlichen Welt, zum anderen für Orientalen – und im Augenblick waren keine Orientalen an Bord.
Lord Worth, Commander Larsen und Palermo hielten Kriegsrat in dem luxuriös ausgestatteten Wohnraum, der ständig für den Lord reserviert war. Sie waren in allen Punkten einer Meinung: Sie stimmten darin überein, daß Cronkites Angriff sich durch einen entscheidenden Mangel an Subtilität auszeichnen würde – Gewalt war die einzige Möglichkeit, die er hatte. Wenn das Öl erst mal an Land war, konnte Cronkite nichts mehr tun. Er würde nicht versuchen, einen Tanker mit voller Ladung anzugreifen und zu versenken, genausowenig wie er versuchen würde, den Vorratstank zu zerstören, denn beides hätte eine riesige Öllache zur Folge – ähnlich der, die ein paar Jahre zuvor bei dem Torrey-Canyon-Unglück vor der Südwestküste Englands das Wasser verpestete. Wie damals würde eine internationale Empörung und eine Untersuchung des Vorfalls sicherlich nicht ausbleiben, denn Ökologie und Umweltschutz waren immer noch die Parolen der Stunde. Und Cronkite würde, falls man ihn attackierte, seinerseits ganz sicher die großen Ölgesellschaften anschwärzen, was man ihm nicht einmal übelnehmen könnte.
Vielleicht wollte Cronkite die flexible Ölleitung zerstören, die die Bohrinsel mit dem Tanker verband. Aber die drei Männer waren sich einig, daß man das verhindern konnte. Nachdem Conde mit der Roamer angekommen und die für ihn bestimmte Ladung an Bord gebracht worden wäre, sollte das Schiff rund um die Uhr zwischen dem Tank und der Meerhexe pendeln. Die Bohrinsel war mit einer Menge von Sensoren ausgerüstet; auf der Spitze des Bohrturmes drehte sich ununterbrochen ein Radarschirm, und an den drei riesigen Standbeinen
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