Die Meerhexe
Gauner?«
»Auch wenn die meisten diese Bezeichnung als geradezu wohlwollend betrachten würden, ist nicht zu leugnen, daß er auch nützliche Seiten hat.«
Robertson schaute auf. »Ihr Gespräch, Mr. Mitchell. Auf dem Apparat da.« Er machte Anstalten, seinen Hörer diskret aufzulegen, aber Roomer nahm ihn ihm aus der Hand und hob ihn ans Ohr.
»Polizeichef McGarrity?«
»Am Apparat.«
»Hören Sie genau zu. Was ich Ihnen zu sagen habe, ist außerordentlich wichtig und dringend und die größte Sache, mit der Sie je zu tun hatten. Sind Sie allein?«
»Ja, ich bin allein«, antwortete McGarrity mit einer Mischung aus Mißtrauen und Neugier.
»Hört niemand zu und läuft auch kein Tonband?«
»Nein verdammt nochmal, kommen Sie zur Sache.«
»Wir sprechen vom Haus Lord Worths. Kennen Sie ihn?«
»Seien Sie nicht albern. Wer ist ›wir‹?«
»Mein Name ist Mitchell, und mein Partner heißt John Roomer. Wir sind lizensierte Privatdetektive.«
»Ich habe schon von Ihnen gehört – Sie sind die beiden, die den zuständigen Gesetzesvertretern soviel Schwierigkeiten machen.«
»Ich würde zwar sagen, die Sache verhält sich umgekehrt, aber das ist jetzt nicht wichtig. Wichtig ist, daß die beiden Töchter von Lord Worth gekidnappt worden sind.«
»Gütiger Gott im Himmel!« Das war alles, was McGarrity in seiner Fassungslosigkeit hervorbringen konnte, dann folgte tiefes Schweigen.
Roomer lächelte boshaft und legte die Hand über die Sprechmuschel: »Siehst du es auch vor dir, wie das alte Schlitzohr sich an seinem Stuhl festklammert und mit vorquellenden Augen auf die große Tafel starrt, auf der in Leuchtschrift immer wieder das Wort ›Beförderung‹ erscheint?«
»Gekidnappt sagen Sie?« McGarrity klang heiser.
»Gekidnappt, entführt, geschnappt, ganz wie Sie wollen.«
»Ist das sicher?«
»Absolut. Die Zimmer der Mädchen sehen einwandfrei nach einem hastigen und nicht geplanten Aufbruch aus. Neun Mitglieder des Personals wurden gefesselt und mit Klebeband zum Schweigen gebracht. Was würden denn Sie daraus schließen?«
»Entführung.« McGarrity sprach das Wort aus, als habe er den Tatbestand gerade selbst entdeckt.
»Können Sie alle Fluchtwege sperren lassen? Die Mädchen haben ihre Pässe nicht mitgenommen, damit scheiden Auslandsflüge also aus. Und ich glaube nicht, daß die Kidnapper im Inland mit einem Flugzeug herumfliegen. Oder können Sie sich vorstellen, daß die beiden Mädchen auf einem Flugplatz erscheinen könnten, ohne sofort erkannt zu werden? Ich schlage vor, sofortiges Startverbot und strenge Kontrollen auf jedem Privatflugplatz im südlichen Teil des Staates anzuordnen.«
»Aber dazu wären Hunderte von Polizisten notwendig«, wandte McGarrity ein. Er schien nicht gerade begeistert zu sein.
Mitchell seufzte, legte die Hand über die Sprechmuschel und sagte zu Roomer: »Das ist doch nicht zu fassen. Meinst du, ich darf einmal Schwachkopf zu ihm sagen?« Er nahm die Hand wieder weg und sagte: »Hören Sie, McGarrity, ich habe den Eindruck, Sie wissen nicht, worum es sich handelt. Wir sprechen von den Töchtern von Lord Worth. Sie könnten sogar die Nationalgarde anfordern – ich bin sicher, daß Lord Worth jeden Cent der entstehenden Kosten erstatten wird. Großer Gott, Mann, das ist das tollste Ding seit der Entführung des Lindbergh-Babys.«
»Da haben Sie recht, ja, da haben Sie ganz recht.« Man konnte sich richtig vorstellen, wie McGarrity sich genüßlich die Lippen leckte. »Wie steht es mit Beschreibungen?«
»Ich fürchte, da ist nichts zu holen. Die Kerle trugen allesamt Strumpfmasken. Der Anführer hatte Handschuhe an, was auf Vorstrafen hindeuten kann, aber nicht muß. Alle waren groß, muskulös und mit dunklen Straßenanzügen bekleidet. Ich nehme an, die Beschreibung der beiden Mädchen kann ich mir sparen?«
»Von Lady Marina und Lady Melinda?« McGarrity war ein klassischer Snob größten Ausmaßes, der mit regem Interesse das Leben und Treiben des internationalen Jet-set und der Möchtegerns in seinem Umkreis verfolgte. »Großer Gott, natürlich brauche ich von den beiden keine Beschreibung, sie müssen die meistfotografierten Mädchen im Staat sein.«
»Bitte behandeln Sie die Sache vorläufig absolut vertraulich.«
»Selbstverständlich, selbstverständlich.« McGarrity würde es nicht in den Sinn kommen, diesen dicken Brocken mit jemandem zu teilen.
»Lord Worth muß als erster benachrichtigt werden. Ich werde ihn dahingehend informieren, daß
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