Die Meerhexe
der Öffnung auftauchte. Dicht hinter ihm stand ein ebenso ausgerüsteter Mann. Von ihrem Standplatz aus waren Sie für die Bohrmannschaft, die gerade Dienst hatte, nicht zu sehen.
»Larsen und Scoffield?« fragte Durand. »Falls Sie Waffen bei sich tragen, seien Sie bitte nicht so dumm, Sie benutzen zu wollen.« Die Leiter schwang herunter. »Kommen Sie rauf.«
Die beiden Männer hatten keine Wahl. Als sie an Bord waren, sagte Durand, der sie keine Sekunde aus den Augen ließ: »Kowenski, Rindler – sehen Sie nach, ob sie bewaffnet sind.«
Sowohl Larsen als auch Scoffield trugen Pistolen. Aber es schien sie nicht im geringsten zu stören, sie hergeben zu müssen – ihre Aufmerksamkeit war völlig auf Lord Worths Töchter konzentriert. Marina lächelte, aber sie sah nicht sehr fröhlich aus. »Wir hätten uns weiß Gott unter günstigeren Umständen wiedersehen können, Commander.«
Larsen nickte. »Sie sind Kidnapper. Das kann sie den Kopf kosten.« Er wandte sich an Campbell: »Warum haben Sie diese Verbrecher hier herausgeflogen?«
»Weil mein ganzer Mut flötengeht, wenn man mir vom Start bis zur Landung eine Pistolenmündung in den Nacken hält.« Campbells Ton war verständlicherweise bitter.
Larsen sah Melinda an. »Sind Sie in irgendeiner Weise mißhandelt worden?«
»Nein.«
»Und das werden sie auch nicht«, sagte Durand. »Vorausgesetzt natürlich, daß Sie tun, was wir Ihnen sagen.«
»Und das wäre?«
»Sie schließen den Weihnachtsbaum.« Das bedeutete, daß aller Ölnachschub vom Meeresboden abgewürgt wurde.
»Ich denke gar nicht daran.« Larsens dunkles Piratengesicht war wutverzerrt. Durand erkannte, daß er hier einen Mann vor sich hatte, der auch ohne Waffe ausgesprochen gefährlich werden konnte. Er warf Rindler einen kurzen Blick zu – dieser führte den stummen Befehl sofort aus und schlug Larsen den Griff seiner Maschinenpistole über den Hinterkopf, wobei er den Schlag so genau berechnete, daß Larsen zwar betäubt, aber nicht tief bewußtlos war. Als Larsen wieder zu sich kam, fand er sich mit Armbändern versehen. Seine Aufmerksamkeit konzentrierte sich auf eine glänzende Schere aus rostfreiem Stahl von der Sorte, wie sie Chirurgen benutzen, um beispielsweise Rippen durchzuschneiden. Sie lag in Durands Hand, und ihre beiden Backen umschlossen leicht den kleinen Finger von Melindas rechter Hand.
»Ich glaube nicht, daß Sie sich damit sehr beliebt bei Lord Worth machen, Larsen«, sagte Durand.
Es war leicht zu erkennen, daß Larsen diese Meinung teilte. »Nehmen Sie die verdammte Schere weg und meine Handschellen ab. Ich werde den Weihnachtsbaum schließen.«
»Ich werde Sie begleiten, um mich zu vergewissern, daß Sie auch wirklich das richtige Ventil zudrehen. Ich werde den Weihnachtsbaum zwar nicht erkennen können, aber ich weiß, daß es so was wie Ölflußanzeiger gibt. Ich werde ein Walkie-Talkie mitnehmen. Aaron hier neben mir hat auch eins. Ich werde ständig mit ihm in Verbindung bleiben. Falls mir irgend etwas zustoßen sollte …« Durand sah bedeutungsvoll auf die Chirurgenschere hinunter und gab sie dann an Heffer weiter, den fünften Mann seiner Bande. Er befahl Campbell, seine Hände hinter seiner Rückenlehne zu verschränken, und legte ihm Handschellen an.
»Sie denken an alles, was?« Larsens Stimme zitterte vor Wut.
»Ach, Sie wissen doch selbst wie das ist – es gibt so viele Strolche heutzutage. Kommen Sie, gehen wir.«
Die beiden Männer gingen über die Plattform auf den Bohrturm zu. Nach ein paar Schritten blieb Durand stehen und sah sich bewundernd um.
»Na, wie finde ich denn das! Doppelt verwendbare Luftabwehrwaffen! Haufenweise Wasserbomben. Man könnte fast annehmen, daß Sie sich darauf eingerichtet haben, einer Belagerung standzuhalten. Mein lieber Jolly, sogar Lord Worth wird dafür mindestens zehn Jahre in den Knast müssen.«
»Wovon sprechen Sie eigentlich?«
»Na, was hier alles rumsteht und -liegt, gehört doch wohl nicht zur Standardausrüstung einer Bohrinsel. Ich glaube kaum, daß das Zeug vor vierundzwanzig Stunden schon hier war. Ich glaube, es befand sich gestern noch in dem Arsenal in Mississippi, in das letzte Nacht eingebrochen wurde – die Regierung hat Leute nicht besonders gern, die ihre militärische Ausrüstung klauen. Außerdem müssen Spezialisten hier sein, die mit derartigen Waffen umgehen können, denn das gehört ja wohl kaum zur normalen Ausbildung einer Bohrmannschaft. Ich frage mich, ob diese Leute
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