Die Meerjungfrau
ich zum Telefon ging und den
Hörer abnahm, prostete sie mir mit dem Glas zu.
»Ja?« sagte ich.
»Hier Farley, Max. Wo wolltest
du noch hingehen?«
»Es sind ein paar Dinge
dazwischengekommen«, sagte ich. »Bagatellen.« Ich blickte auf Sylvia und sie
stieß mir einen eisigen Blick in die Brust.
»Ich habe Baxter«, sagte er.
»Was hast du?«
»Baxter. Seit einer Stunde
versuche ich, dich zu erreichen.«
»Wo ist er?«
»Hier neben mir — im Büro. Ich
dachte, es wäre dir sicher nicht recht, wenn ihn die Polizei zuerst in die
Finger bekäme und so — «
»Ich komme sofort! Hör mal —
ruf im Hotel Baradine an und laß auch Mrs. Baxter kommen.«
»Gut«, sagte er. »Das war ein
guter Einfall von dir, Max. Ich fahre zu Addison, und tatsächlich — Baxter ist
dort. Ich mußte ihn ein bißchen fertigmachen — aber er war ohnehin in
schlechter Verfassung.«
»Okay«, sagte ich. »Behalt ihn
bloß dort.«
Ich legte auf und drehte mich
um. Sylvia stand unmittelbar in meiner Nähe.
»Ich bin also bloß eine
Bagatelle?« murmelte sie.
»Nehmen Sie’s nicht schwer,
Süße,« sagte ich. »Ich komme bald zurück. Halten Sie sich für zwei Stunden an
die Platten und den Whisky.«
Sylvia starrte mich finster an.
Ich zuckte die Schultern und
ging auf die Tür zu. Als ich sie öffnete und die kalte kahle Wand des Korridors
sah, dachte ich, daß es hohe Zeit war, einen Psychiater aufzusuchen — diese
Puppe wegen Baxter sitzen zu lassen!
ZEHNTES KAPITEL
F arley saß umgekehrt auf einem
Stuhl, einen Revolver in in der Linken. Baxter saß
ihm gegenüber. Er blickte auf, als ich eintrat. Es war in der Tat Baxter. Er
war ein großer Bursche mit kurzgeschnittenem, blondem Haar. Er hatte ein in
landläufigem Sinn angenehm wirkendes Gesicht mit weit auseinanderliegenden
Augen, einer hübschgeformten Nase und einem
gutgeschnittenen Mund.
Er sah mürrisch und auch ein
wenig besorgt drein.
»Sie hätten uns all das ein
bißchen leichter machen können«, sagte ich.
Er nickte. »Wahrscheinlich habe
ich ein ziemliches Durcheinander angerichtet.«
»Kann man wohl sagen«,
bestätigte ich.
»Ich habe ihm in groben
Umrissen erzählt, was los ist«, sagte Farley.
»Was auch immer geschehen
wird«, sagte Baxter ruhig, »ich sitze in der Tinte.«
»Was wird denn geschehen?«
sagte ich. »Rücken Sie jetzt mal mit der ganzen Geschichte raus, Baxter.
Vielleicht können wir Ihnen helfen — ich weiß es nicht. Aber eins ist sicher —
die Polypen sind hinter Ihnen her. Sie haben ausreichend Belastungsmaterial
gegen Sie, um Ihnen die Luft abzudrehen.«
Er blickte mich ein paar
Sekunden lang ruhig an und senkte dann die Augen auf den Boden.
Der Türsummer surrte, und
Farley stand auf, um die Tür zu öffnen.
Noreen Baxter trat ein. Sie
trug ihren grauen Mantel. Als sie Baxter sah, rannte sie auf ihn zu.
»Joe!« rief sie.
Er stand ungeschickt auf und
umschlang sie mit den Armen. Er sagte kein Wort.
»O Joe!« schluchzte sie. »Du
bist in Sicherheit. Es ist dir wirklich nichts geschehen!«
»Es tut mir leid, Baby«,
murmelte er.
Sie sagte nichts weiter,
sondern blieb, die Arme um ihn geschlungen, stehen und schmiegte ihren Kopf
unter sein Kinn.
Farley hustete und kam durchs
Zimmer. Noreen löste ihre Arme und wandte sich mir zu. Ihre Augen leuchteten
und waren ein wenig feucht.
»Vielen Dank, Mr. Royal«,
murmelte sie.
»Schon gut«, sagte ich sanft.
»Aber es gibt noch einiges zu tun, Mrs. Baxter. Joe
steckt in der Tinte, und wenn er uns nicht behilflich ist, kommt es noch
schlimmer.«
»Joe«, sagte sie, »du wirst Mr.
Royal doch helfen?«
Er antwortete eine ganze Weile
gar nicht. »Klar!« sagte er.
»Erzählen Sie uns alle
Einzelheiten über das Tonband, Joe«, sagte ich. »Oder besser noch, ich erzähle
Ihnen, was wir bereits wissen.«
Ich gab ihm ein kurzes Resümee dessen,
was Helena mir erzählt hatte. Er nickte immer wieder, und als ich geendet
hatte, blickte er mich ruhig an, bevor er sprach.
»Ja«, bestätigte er, »so war
es. Aber es steckt noch mehr dahinter.«
»Erzählen Sie«, sagte ich.
»Helena hatte recht«, sagte er
leise. »Das Ganze wurde arrangiert, weil Helena Jordans Romanze mit Sylvia Kain zerstören wollte.«
»Was dann?«
»Nun, Helena benutzte das
Originaltonband nicht«, sagte er. »Sie holte es gar nicht aus dem Studio ab.
Erst ein wenig später stellte ich fest, daß das Band verschwunden war.«
»Weiter!« sagte ich.
»Dann fand ich eines Tages
heraus,
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