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Die Mehrbegabten

Die Mehrbegabten

Titel: Die Mehrbegabten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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zu und sperrte sie ab; sie schob den Nachtriegel vor, so daß er selbst mit seinem Schlüssel die Tür nicht mehr öffnen konnte.

    Hand in Hand schritten sie durch die überfüllte Straße mit ihren vielen Läden, durch dichten Passantenverkehr, ohne etwas zu sagen.
    »Ich habe Ihre Ehe zerstört«, erklärte Charley nach einiger Zeit.
    »Nein, das haben Sie nicht«, sagte Nick. Und es stimmte.
    Sein Erscheinen mit dem Mädchen hatte nur an die Oberfläche gebracht, was schon vorher dagewesen war. Wir haben ein Leben voller Angst geführt, dachte er, ein Leben voll von Sorgen und Schrecknissen. Angst, daß Bobby die Prüfung nicht bestehen würde; Angst vor der Polizei. Und jetzt – die »Rote Seekuh«, dachte er. Wir brauchen uns nur noch den Kopf darüber zu zerbrechen, ob sie im Sturzflug angreift. Als er das dachte, mußte er lachen.
    »Was ist so komisch?« fragte Charley.
    »Ich habe mir eben vorgestellt, daß Denny im Sturzflug auf uns herabstößt. Wie bei den alten Stukas im Zweiten Weltkrieg. Und alle stieben auseinander, weil sie glauben, daß der Krieg mit Nordwest-Deutschland ausgebrochen sei.«
    Hand in Hand gingen sie weiter, jeder in seine eigenen Gedanken vertieft. Dann sagte Charley plötzlich: »Sie brauchen nicht bei mir zu bleiben, Nick. Durchschneiden wir das Band. Sie gehen zu Kleo zurück – sie wird froh sein, Sie zu sehen. Ich weiß, wie Frauen sind. Ich weiß, wie schnell ihre Wut verraucht, vor allem bei solchen Dingen, wenn das, was sie bedroht – mit anderen Worten, ich –, verschwindet. Richtig?«
    Es stimmte vermutlich, aber er antwortete nicht; er hatte den Weg aus dem Dickicht seiner
    Gedanken noch nicht gefunden. Was war heute nicht alles mit ihm geschehen. Er hatte entdeckt, daß Earl Zeta, sein Chef, ein Minusmensch war; er hatte zusammen mit Zeta Alkohol getrunken; sie waren zu Charleys – oder Dennys – Wohnung gegangen; es hatte dort eine Auseinandersetzung gegeben, und er war mit Charley weggelaufen, hatte sie, ein völlig fremdes Mädchen, gerettet, mit Hilfe seines dicken, starken Chefs.
    Und dann die Sache mit Kleo.
    »Sind Sie sicher, daß der ÖSD nichts von Ihrer Wohnung weiß?« fragte er. Mit anderen Worten: Hat man mich schon als Verdächtigen registriert? dachte er.
    »Wir sind sehr vorsichtig«, erwiderte Charley.
    »Sind Sie das? Sie haben Ihre Broschüre im Mantel stecken lassen. Das war nicht sehr vorsichtig.«
    »Es war sogar sehr dumm. Kam von der Jagd mit der Seekuh. So etwas passiert mir sonst nie.«
    »Haben Sie noch mehr dabei? In Ihrer Handtasche?«
    »Nein.«
    Er nahm ihr die Handtasche weg und durchsuchte sie. Es stimmte. Dann durchsuchte er im Gehen ihre Manteltaschen. Auch hier nichts. Aber Cordons Schriften zirkulierten auch in Form von Mikropunkten; sie mochte mehrere davon bei sich haben, und wenn man sie festnahm, würden die Leute vom ÖSD sie finden.
    Ich traue ihr wohl doch nicht, entschied er. Nachdem sie die Sache mit Kleo zugelassen hat. Wenn sie sogar dazu fähig gewesen war.
    Dann dachte er: Wahrscheinlich beobachten die Spürhunde die Wohnung. Sie überwachen, wer hereinkommt, wer hinausgeht. Ich bin hineingegangen; ich bin herausgekommen. Wenn das zutrifft, stehe ich auf der Liste.
    Es ist also schon zu spät, zu Bobby und Kleo zurückzugehen, räsonierte er.
    »Sie wirken so grimmig«, stellte Charley mit fröhlicher, unbekümmerter Stimme fest.
    »Mein Gott«, sagte er, »ich habe die Linie überschritten.«
    »Ja, Sie sind ein Minusmensch.«
    »Muß da nicht jeder grimmig werden?«
    »Sie sollten voller Freude sein«, meinte Charley.
    »Ich will nicht in ein Arbeitslager auf dem – «
    »Aber so wird es nicht enden, Nick. Provoni wird zurückkommen, und alles renkt sich ein.« Sie hielt seine Hand, drehte den Kopf, legte ihn schräg und sah ihn an wie ein Vogel. »Kopf hoch! Glücklich aussehen! Glücklich sein!«
    Meine Familie ist zerbrochen, dachte er, und das ihretwegen. Wir wissen nicht, wo wir hingehen sollen – in einem Motel finden sie uns leicht – und…
    Zeta, dachte er. Er kann mir helfen. Und die Verantwortung liegt ja zum größten Teil bei ihm: Zeta hat alles, was heute passiert ist, erst ausgelöst.
    »Oh«, sagte Charley, als er sie zu einem Fußgängerübergang zerrte. »Wohin geht’s?«
    »Zum Grundstück von ›United Front – Leicht gebrauchte Flitzer‹«, erklärte er.
    »Ach, Sie meinen zu Earl Zeta. Vielleicht ist er noch in der Wohnung und schlägt sich mit Denny. Nein, Denny war ihm ja schon

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