Die Meister der Am'churi (German Edition)
wirklich bis jetzt durchgehalten hat, ist das mehr, als ihm jeder von euch zugetraut hätte, oder? Wir sind nur noch ein kurzes Stück weg von diesem Portal, also streitet nicht, lauft! Ich habe diese Kette hier nicht zu meinem Vergnügen geschmiedet!“
19.
Das Pevva-Tal war ein Canyon von immensen Ausmaßen. Es sah ein wenig so aus, als hätte ein Riese das Gebirge mit einer Axt geteilt und eine klaffende Wunde in der Erde hinterlassen. Und vielleicht war es das auch, nur, dass es keine Axt war, die Kaleshs steinerne Haut gespalten haben konnte.
Sie sahen das Portal. Drachen schnellten hindurch, Geschöpfe von solch majestätischer Kraft und Anmut, dass ihnen allen der Atem stockte. Trotz ihrer schweren Leiber flogen sie mit der Leichtigkeit eines Adlers, schraubten sich mit wenigen Flügelschlägen in die Höhe, bis sie kaum noch als dunkler Punkt sichtbar waren, ließen sich dann in die Tiefe hinabstürzen, um sich dicht über dem Boden zu wenden und elegant zurück in den Himmel zu stürmen. Sie jagten einander, überschlugen sich, schnappten – scheinbar – verspielt nach ihren Gefährten, wie in einem Tanz, dessen Melodie der Takt ihrer eigenen feurigen Herzen war. Die schrillen Schreie, das markerschütternde Brüllen, das sie ausstießen, brauchte keine Worte, um es zu verstehen: Sie waren frei, endlich frei! Und noch immer kamen Drachen durch das Portal, obwohl der Himmel schwarz von ihren Leibern war und selbst das gewaltige Tal ihnen nicht genug Platz bot.
„Es sind so viele“, flüsterte eine Wölfin neben Jivvin. Er konnte nur stumm nicken. Tausende, Abertausende Kreaturen mochten es sein, wie sollten sie gegen solch eine Übermacht bestehen?
„Verzagt nicht, Sterbliche!“, sprach Ilanrin. Die Last seiner Jahre schien von ihm abgefallen, er stand aufrecht wie ein junger Mann, mit vor Kampfeslust funkelnden Augen, die eine Hand locker auf dem Bogen, den er über der Schulter trug, die andere geballt wie im Zorn. Oder war es Triumph? Der Elf lächelte schmal, als er sich zur Seite wandte, um sie anblicken zu können.
„Verzagt nicht. Das dort sind Kreaturen ohne Seele und Verstand, mit den Drachen von einst haben sie lediglich den Körper gemeinsam. Wenige von ihnen – die Alten und Mächtigen – werden überhaupt verstehen, dass wir eine Gefahr für sie darstellen. Es gibt nur einen Feind dort oben, den wir fürchten müssen, und das ist Charur.“
„Wie kannst du sicher sein? Wie kannst du wissen, dass alle jüngeren Drachen degeneriert sind? Dass sie vergessen haben, was Elfen sind?“, fragte Tamu. Er war unruhig, wie Jivvin seinen Meister noch nie zuvor gesehen hatte. Der Anblick dieses überwältigenden Drachenheeres brachte auch diese Hand zum Zittern, die schon in so vielen Kämpfen gelassen zum Schwert gegriffen hatte.
„Ich kann sie fühlen, Am’churi“, flüsterte Norim, der sich zwischen sie gedrängt hatte. „Wir Elfen können sie spüren, ihre Gedanken, ihre Kraft. Ein Äon in Dunkelheit und Fels eingeschlossen zu sein hat ihre Seele zerbrochen. Sie sind Tiere, weniger noch als Tiere.“
„Das dort ist kein Rudel“, sagte Lynea, die Finger fest gegen die Schläfen gepresst. „Die Elfen sprechen die Wahrheit. Die Drachen werden kämpfen, wenn Charur es ihnen befiehlt, aber jeder für sich, ohne Zusammenhalt, ohne den anderen zu warnen oder zu beschützen. Ich spüre vielleicht drei Dutzend unter ihnen, die noch Sinn und Verstand besitzen. Sie erschauderte. „Es ist ein düsterer Sinn und ein Verstand, der nur nach Rache gegen die Elfen schreit. Sie sind genauso eine Gefahr wie Charur und wir können bloß hoffen, dass sie von ihren Gefährten eher behindert als unterstützt werden.“
„Warum seid ihr sicher, dass die nicht einfach so angreifen? Dafür braucht es schließlich keinen Verstand!“
„Sie müssen Charur folgen, Pitu. Sie waren unvorstellbar lange an ihn gebunden, kannten nichts als seinen Willen, seinen Hass, der ihren Geist vergiftete. Ohne Charur sind sie hilflos in dieser Welt, die sie alle längst vergessen haben. Sie erinnern sich nicht an die Sonne, der freie Himmel ist zu weit für sie …“ Sie alle betrachteten den Schattenelf, der mit so viel Mitgefühl und Bedauern sprach, wie sie es niemals für möglich gehalten hätten. Ob Norim tatsächlich so empfand?
„Und was hält Charur hier? Nur Ilanrin?“, fragte Brynn.
„Ni’yo. Er muss Ni’yo besiegen, bevor der seine Macht entdeckt. Erst dann wird er das Tal verlassen und
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