Die Meister der Am'churi (German Edition)
beiwohnen zu können.“
Ein harter Tritt traf seinen Unterleib. Ni’yo krümmte sich zusammen, versuchte gleichzeitig, Kopf und Bauch zu schützen.
„Der Zeitpunkt ist ideal, Charur. Seine Freunde sind nah genug, so nah, dass niemand mehr sie vorwarnen kann, wenn das Siegel zerbricht. Ilanrin ist bei ihnen, Charur, ich habe ihn gesehen, gemeinsam mit etwa zweihundert Elfen. Es mögen ein paar mehr sein, ich konnte nicht nahe genug heran, ohne dass er mich gespürt hätte.“
„Warum?“, wisperte Ni’yo matt. Er hatte ihr vertraut! Was geschah hier? Warum konnte dieser Albtraum denn nicht einfach enden?
„Ich schäme mich für meine Ahnen, Menschling!“, sagte sie hart. „Sie nennen sich Götter und lassen trotzdem zu, dass ihr eigenes Volk vernichtet werden soll! Elfen und Menschen, pah!“ Sie spuckte ihm ins Gesicht, was Ni’yo wie erstarrt hinnahm.
„Ihr seid ein Nichts für uns, Werkzeuge, wimmelnde Geschöpfe gleich Ameisen auf einem Haufen Dreck. So, wie ihr Bienen benutzt, um Honig abzuschöpfen, und Vieh haltet, um Nahrung und Kleidung zu erhalten, so etwas seid ihr für uns. Der einzige Grund, warum wir nicht mit dem Schicksal von Ameisen spielen, ist ihr kurzes Leben und ihr nicht vorhandener Verstand. Es macht mehr Spaß, wenn das Opfer begreift, dass es ein Spielzeug ist und versucht, gegen sein Schicksal aufzubegehren.“ Sie kniete neben ihm nieder und zerrte ihm die Arme weg, die er schützend über den Kopf hielt. „Ich habe dich benutzt, Ni’yo, wie so viele andere Götter vor mir. Du musstest lange genug durchhalten, bis deine Freunde bereit für uns sind. Oh, und es sind alle da, die du liebst: Jivvin, Lynea, Tamu, Yumari … Sie werden alle sterben, falls du nicht kooperierst und das Siegel brichst. Und mein Wunder wird keinen Unterschied machen, wie soll es auch? Sobald euch beiden klar wird, dass es keine Hoffnung mehr gibt, wird das euer Ende nur beschleunigen!“
Sie lachte, als er zitternd aufschluchzte, zerstört von ihrem Verrat.
„Du kannst sie retten, Ni’yo!“, sagte Charur. „Verstehst du? Du kannst ihnen helfen. Nicht den Elfen, deren Untergang ist gewiss. Doch deine Freunde interessieren mich nicht, sie haben meinem Volk nichts angetan.“
„Beeil dich!!“, rief Harla und wischte ihm zärtlich die Tränen von den Wangen. „Du kannst so viele Leben retten, wenn du jetzt aufgibst, Ni’yo. Sie sind schon fast am Portal angelangt, also beeil dich. Du weißt, gibst du erst auf, wenn sie bereits alle in Stellung sind, wird der Kampf lang und fürchterlich werden. Willst du wissen, wie fürchterlich?“
Ni’yo schrie auf, als Charur endgültig durch seine geistigen Barrieren brach und eine Flut von Visionen ihn überrollte. Bilder von Jivvins blutüberströmtem, verstümmeltem Körper. Lynea, sterbend unter den Pranken eines Drachen gefangen. Und noch Schlimmeres, ein Strom unerträglicher Bilder, der nicht abreißen wollte. Ni’yo krümmte sich am Boden, beide Hände gegen den Kopf gepresst schrie er in einem fort, flehte um Gnade für jene, die er liebte.
„Es gibt kein Entrinnen, Ni’yo“, sagte Charur leise, beinahe mitfühlend. „Nur, wenn du selbst es ihnen ermöglichst. Zerstöre das Siegel, und sobald wir frei sind, das schwöre ich, dass wir die Menschenstädte nicht angreifen werden. Wir nehmen Rache an den Elfen, fliegen fort und suchen uns einen Ort hoch in den Bergen Arus und den anderen Ländern dieser Welt. Niemand will, dass der Ewige Krieg von Neuem beginnt.“
„Was muss ich tun?“, flüsterte Ni’yo gebrochen.
„Vergiss, wer du bist. Lass sie los, die Beschränkungen der Sterblichkeit! Gib es auf, ein Mensch sein zu wollen, verdränge das Erbe der Elfen. Sei ein Drache, Ni’yo, nicht mehr und nicht weniger. Du spürst es in dir, nicht wahr? Die Seele des Drachen, die endlich frei sein will. Jetzt, wo Am’chur dich nicht mehr hemmt, kannst du dich mir anvertrauen. Lass mich in dein Bewusstsein, verbünde dich mit mir und ich helfe dir zu wahrer Größe.“ Charur strich beinahe zärtlich mit einem Flügel über Ni’yos blutüberströmten Rücken. „Vor allem aber musst du deine Liebe aufgeben, denn sie fesselt dich an dein sterbliches Sein.“
„Das kann ich nicht! Es ist alles, was ich noch habe!“, schrie Ni’yo und sackte wimmernd in sich zusammen, als Charur von Neuem Visionen des Grauens aussandte.
„Du kannst es! Das ist nicht viel anders als eine Meditation, und die beherrscht ihr Am’churi doch so gut. Nun komm,
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