Die Meisterdiebin
„Delanceys Haus scheint bei denen ziemlich beliebt zu sein.“
Am anderen Ende gab es ein langes Schweigen. Dann stellte Tony ihr eine Frage, bei der es ihr kalt den Rücken hinunterlief. „Bist du sicher, dass es nur ein Einbrecher war? Und keiner von Van Weldons Leuten?“
Cleas Finger krampften sich um das Glas Brandy. „Nein, das kann man nicht wissen.“
„Es wäre doch möglich, oder? Vielleicht ahnen sie, was du vorhast, und sind jetzt selbst auch hinter dem Auge von Kaschmir her.“
„Sie können mir nicht gefolgt sein! Ich habe aufgepasst.“
„Clea, du kennst diese Typen nicht …“
„Ich weiß genau, mit wem ich es zu tun habe!“ versicherte sie ihm nachdrücklich.
„Es tut mir Leid“, sagte Tony sanft. „Natürlich weißt du das. Besser als jeder andere. Aber mir ist da was zu Ohren gekommen.“
„Was?“
„Van Weldon hat Freunde in London. Freunde in den höchsten Kreisen.“
„Der hat überall Freunde.“
„Außerdem habe ich gehört …“ Tony senkte die Stimme. „Siehaben erhöht. Du bist ihnen jetzt eine Million Dollar wert, Clea. Tot.“
Ihre Hände zitterten, als sie hastig einen Schluck Brandy nahm. Tränen der Wut und der Verzweiflung traten in ihre Augen. Rasch blinzelte sie sie fort.
„Ich finde, du solltest es mal wieder mit der Polizei versuchen“, meinte Tony.
„Den Fehler mache ich kein zweites Mal.“
„Was willst du sonst tun? Den Rest deines Lebens auf der Flucht verbringen?“
„Die Beweise sind hier. Ich brauche sie nur zu finden. Dann werden sie mir glauben müssen.“
„Du schaffst es nicht allein, Clea!“
„Ich schaffe es. Ganz sicher.“
„Delancey wird aber wissen, dass jemand eingebrochen ist.
In spätestens vierundzwanzig Stunden gleicht sein Haus einer Festung.“
„Dann verschaffe ich mir eben anders Zutritt“, entgegnete sie entschlossen.
„Wie?“
„Indem ich durch die Haustür spaziere. Er hat eine Schwäche, weißt du. Für Frauen.“
Tony stöhnte auf. „Nein, Clea.“
„Ich werde mit ihm fertig.“
„Das glaubst du nur.“
„Ich bin ein großes Mädchen, Tony.“
„Das macht mich krank. Wenn ich mir vorstelle, du und …“
Er gab einen Laut des Ekels von sich. „Ich gehe zur Polizei.“Clea stellte das Glas ab. „Tony, es geht nicht anders. In einer Woche etwa weiß Van Weldon, wo ich bin. Bis dahin muss ich handeln.“
„Unterschätz Delancey nicht.“
„Für den bin ich nur eine weitere naive Gespielin. Eine reiche, würde ich sagen. Das dürfte seine Aufmerksamkeit wecken.“
„Und wenn er dir zu viel davon widmet?“
Clea zögerte. Bei der Vorstellung, mit diesem öligen Guy Delancey zu schlafen, wurde ihr übel. Na ja, mit etwas Glück würde es nicht so weit kommen.
Sie würde dafür sorgen.
„Ich schaffe es schon“, sagte sie. „Hör dich weiter um, ja?
Finde heraus, ob etwas zum Verkauf angeboten wird. Und bleib in De ckung.“
Nachdem sie aufgelegt hatte, saß sie auf dem Bett und dachte daran, wann sie Tony zuletzt gesehen hatte. In Brüssel. Damals waren sie beide so glücklich. Tony hatte einen nagelneuen Rollstuhl bekommen, ein ziemlich sportliches Gefährt. Er hatte gerade den Verkauf von vier mittelalterlichen Bildteppichen an einen italienischen Industriellen vermittelt. Clea war auf dem Weg nach Neapel, um das Geschäft abzuschließen. Sie feierten zusammen. Auch die Tatsache, dass sie ihre finstere Jugend endgültig hinter sich gelassen hatten. Sie lachten, tranken Wein und sprachen über die Männer in Cleas Leben und die Frauen in Tonys. Dann hatten sich ihre Wege getrennt.
Das war erst einen Monat her, aber es kam ihr vor wie eine
Ewigkeit.
Sie griff nach dem Glas und leerte es. Dann wühlte sie in ihremKoffer nach dem Haarfärbemittel. Sie starrte auf das Model auf der Packung und fragte sich, ob sie etwas Dezenteres hätte wählen sollen. Nein, Guy Delancey war nicht der Typ dafür. Bei ihm half nur die Holzhammermethode.
Und Zimtrot war genau richtig.
„Ich habe mich nach Nimrod Associates erkundigt“, sagte Richard. „Es gibt keine Firma dieses Namens, jedenfalls nicht hier in Eng land.“
Sie saßen zu dritt auf der Terrasse und genossen ein spätes Frühstück. Wie immer benahmen Beryl und Richard sich so, wie man es von einem frisch verlobten Paar erwartete. Sie lachten Wange an Wange und tauschten verliebte Blicke aus.
Erst nach zwei Tassen Kaffee begann Jordans Gehirn langsam wieder zu funktionieren. Das lag nicht nur am Champagner, sondern auch
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