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Die Meisterdiebin

Die Meisterdiebin

Titel: Die Meisterdiebin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Richard Wolf verlobt hatte, lächelte sie fast immer.
    In diesem Moment lächelte sie nicht.
    Sie starrte auf seine zerknautschte Jacke, die durchnässten Hosenbeine und verdreckten Schuhe und schüttelte den Kopf. „Ich frage dich lieber nicht.“
    „Dann lass es.“
    „Ich tue es trotzdem. Was ist passiert?“
    Er drehte sich um und ging weiter. „Ich war spazieren.“
    „Das ist alles?“ Ihr Kleid raschelte, als sie ihm folgte. „Erst bringst du mich dazu, diesen schrecklichen Guy Delancey einzuladen … der übrigens trinkt wie ein Verdurstender und sämtlichen Frauen in den Po kneift. Dann verschwindest du einfach und tauchst in diesem Aufzug wieder auf!“
    Er verschwand in seinem Schlafzimmer.
    Sie ließ sich nicht abschütteln.
    „Es war ein langer Spaziergang“, sagte er.
    „Es war eine lange Party.“
    „Beryl.“ Seufzend sah er sie an. „Das mit Guy Delancey tut mir wirklich Leid. Aber ich kann jetzt nicht darüber reden. Es ist vertraulich.“
    „Aha.“ Sie ging zur Tür. „Ich kann verschwiegen sein.“
    „Ich auch.“ Jordan lächelte. „Deshalb sage ich kein Wort.“
    „Na ja, dann solltest du dich jetzt umziehen. Sonst wird jemand dich fragen, warum du an Glyzinien hochkletterst.“ Leise schloss sie die Tür hinter sich.
    Jordan schaute an sich hinab. Erst jetzt bemerkte er das Blatt in seinem Knopfloch.
    Er zog einen frischen Smoking an, kämmte sich das Laub aus dem Haar und ging nach unten.
    Obwohl es schon nach Mitternacht war, floss der Champagnernoch in Strömen, und die Stimmung war so ausgelassen wie bei seinem Abgang vor eineinhalb Stunden. Er nahm sich ein volles Glas und mischte sich unter die Gäste. Niemand schien sein Fehlen bemerkt zu haben. Er arbeitete sich zum Büfett vor und lud sich schottischen Lachs auf den Teller. Ein Einbruch war harte Arbeit, und er hatte Hunger.
    Als ihm Parfümduft in die Nase stieg und eine Hand seinen Arm berührte, drehte er sich um. Es war Veronica Cairncross.
    „Und?“ flüsterte sie aufgeregt. „Wie ist es gelaufen?“
    „Der Butler hatte nicht frei!“
    „Oh nein“, seufzte sie. „Also hast du sie nicht bekommen …“
    „Doch. Sie sind oben.“
    „Wirklich?“ Sie strahlte ihn an. „Oh, Jordie!“ Sie umarmte ihn und hinterließ ein Stück Lachs auf seinem Smoking. „Du hast mir das Leben gerettet.“
    „Ich weiß, ich weiß.“ Plötzlich sah er Veronicas Ehemann Oliver auf sie zukommen. Unauffällig löste er sich aus ihren Armen. „Oliver kommt“, flüsterte er.
    Veronica drehte sich um und empfing ihn mit ihrem Tausend-Watt-Lächeln. „Liebling, da bist du ja! Ich habe dich aus den Augen verloren.“
    „Du scheinst mich nicht sehr zu vermissen“, brummte Sir Oliver und warf Jordan einen missmutigen Blick zu.
    Armer Kerl, dachte Jordan. Ein Mann, der mit Veronica verheiratet war, hatte Mitleid verdient. Sir Oliver war ein anständiger Bursche, ein Nachkomme der angesehenen Cairncross-Familie, die ihren Reichtum mit Keksen gemacht hatte. Obwohl er zwanzig Jahre älter als seine Frau und so kahl wie eine Billardkugelwar, hatte er erfolgreich um Veronicas Hand angehalten – und sie seitdem mit Brillantringen ausstaffiert.
    „Es ist spät“, sagte Oliver. „Meinst du nicht, Veronica, wir sollten aufbrechen?“
    „Jetzt schon? Es ist erst kurz nach Mitternacht.“
    „Ich habe morgen früh eine Besprechung. Und ich bin ziemlich müde.“
    „Na gut, dann müssen wir wohl.“ Veronica seufzte und schenkte Jordan ein verschwörerisches Lächeln. „Ich glaube, heute Nacht werde ich gut schlafen.“
    Aber bitte neben deinem Ehemann, dachte Jordan.
    Als die Cairncrosses gegangen waren, entdeckte Jordan den fettigen Lachs an seinem Revers. Verdammt. Das war jetzt schon der zweite Smoking. Er säuberte ihn, so gut er konnte, nahm sein Glas und stürzte sich wieder ins Getümmel.
    Sein zukünftiger Schwager, Richard Wolf, stand in der Nähe der Musiker und sah so glücklich aus, wie man es von einem Mann kurz vor der Hochzeit erwartete.
    „Und wie geht es unserem Ehrengast?“ fragte Jordan.
    Richard lächelte. „Ich musste so viele Hände schütteln, dass mir die Finger schmerzen.“
    „Schon dich ein wenig.“ Jordans Blick wanderte dorthin, wo besonders laut gelacht wurde. Es war Guy Delancey, der offenbar recht angeheitert war und sich gerade zu einem drallen jungen Mädchen beugte. „Leider tut das hier nicht jeder“, knurrte Jordan.
    „Das kann man wohl sagen“, meinte Wolf. „Weißt du, der Knabe hat

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