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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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Verdacht steht, meinen Onkel getötet zu haben.»
    Laurenz erstarrte. Nein, das hatte sie nicht getan, und er war sich absolut sicher, dass auch Carolus ahnungslos war. Einer ersten Regung folgend, wollte er Anna auslachen, ihr erklären, wie abwegig dieser Vorwurf war. Ausgerechnet Henrika, dieser Ausbund weiblicher Tugend, sollte den Tod des Festungsbaumeisters verschuldet haben? Als er jedoch darüber nachdachte, fiel ihm ein, dass ihm die Umstände, unter denen Henrika nach Straßburg gekommen war, tatsächlich merkwürdig vorgekommen waren. Sie hatte scheu gewirkt, verängstigt wie ein Reh, das auf der Flucht vor seinen Jägern ziellos durchs Unterholz hetzt. Im Grunde hatte sich daran nichts geändert.
    Laurenz fluchte leise. Wenn Annas Behauptung stimmte und Henrika Gutmeister nichts weiter als eine flüchtige Mörderin war, hatte er sich völlig zum Narren gemacht. Sie war bettelarm, besaß nichts als das, was ihr Carolus und seine Verwandten zusteckten. Sie hatte nicht einmal den geringsten Anspruch auf die Druckerpresse, die noch immer in Mannheim stand. So wie die Dinge dann standen, konnte er auf das Gerät warten, bis er schwarz wurde. Henrika konnte ihm die Presse nicht beschaffen, weil sie es nicht wagen durfte, jemals wieder einen Fuß in ihre Heimatstadt zu setzen.
    Wütend stampfte Laurenz zum Fenster hinüber, stieß die Läden auf und sog gierig die kühle Abendluft ein.
    David musste davon gewusst haben, schoss es ihm durch den Kopf. Natürlich, es konnte gar nicht anders sein. Er war eingeweiht. Das erklärte auch die verschwörerischen Blicke, die sie sich zuweilen zuwarfen, wenn sie sich in der Druckerei unbeobachtet fühlten. Oh nein, diese Kränkung würde er nicht auf sich sitzenlassen. Die beiden würden das noch bitter bereuen.
    Unvermittelt stand Anna neben ihm. Der süße Duft, den ihr Haar, ihr ganzer Körper verströmte, begann ihm zu Kopf zu steigen. Es war ein Gefühl, das er kannte, aber nur selten erlebte. Für gewöhnlich rochen die Frauen, mit denen er ins Bett stieg, weniger gut.
    «Und was machen wir nun mit der mörderischen kleinen Hure?», fragte er mit rauer Stimme. «Sie ist hier, müsst Ihr wissen. Hier, in Frankfurt. Mein Dienstherr Carolus war so töricht, sie mitzunehmen. Sie soll sich während der Reise um seine Tochter kümmern und ihm ein wenig beim Verkauf unserer Druckschriften zur Hand gehen.» Er wandte sich Anna zu und hob ihr Kinn mit seinem Zeigefinger an. Dann erklärte er: «Ich könnte Euch helfen, sie nach Mannheim zurückzubringen, damit sie …»
    «Du meinst, damit sie demnächst Bekanntschaft mit dem Beil des Henkers macht?» Sie schüttelte lachend den Kopf. «Eine amüsante Vorstellung, aber keine gute Idee. Ich habe einen Plan, der auch dir gefallen wird.»
    Anna ging zum Tisch und füllte zwei Gläser mit trübem Apfelwein. Eines davon bot sie Laurenz an. Er leerte es in einem Zug und wischte sich den Mund mit seinem Ärmel ab. «Wie lautet also Euer Vorschlag?»
    «Ich bin nach Frankfurt gekommen, weil ich Geld brauche», sagte sie, während sich ihre Mundwinkel verächtlich nach unten zogen. «Die Schriften meines Onkels werden hier in der Buchgasse einen hübschen Preis erzielen. Von ihrem Erlös kann ich meine Schulden bezahlen und noch eine ganze Weile leben. Doch dann muss ich mich nach einer anderen Einnahmequelle umsehen.»
    Laurenz’ Blick haftete auf Annas kostbarem Nachtgewand. Verwirrt fragte er sich, wie es geschehen sein mochte, dass eine so selbstsichere Frau wie sie in Geldnöte geraten war. Gewiss war er nicht der erste Mann, den sie mit ihren aufreizenden Bewegungen und der luftigen Spitze an ihrem Körper um den Verstand zu bringen drohte.
    «Leider ist vom Vermögen meiner Mutter kaum noch etwas übrig geblieben. Es gibt nicht mehr viel, auf das ich Anspruch erheben kann, und so wie es aussieht, komme ich selbst an das Wenige nicht heran, weil mein Onkel so töricht war, es vor seinem Tod in einem Dokument Henrika zu übereignen.»
    «Henrika?» Laurenz wurde hellhörig. Vielleicht hatte er sich geirrt, und bei Henrika gab es doch mehr zu holen, als er zunächst angenommen hatte. Er fragte sich, ob sie selbst darüber Bescheid wusste und ihn genarrt hatte oder ob sie ahnungslos war.
    Anna nickte mit einem düsteren Lächeln. «Barthel hat ihr ein Stück Land vermacht, einen Gutsbesitz. Ich selbst musste die Urkunde mit meiner Unterschrift beglaubigen. Aber sie ist seit dem Tag seines Todes verschwunden. Leider konnte ich vor

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