Die Meisterin der schwarzen Kunst
keinen Preis der Welt aus den Augen lassen. Es lag auf der Hand, dass ihn weder eine Schankmagd noch ein unreifes Bürgermädchen zu sich bestellt hatte, dem er ungeniert nachsteigen konnte. Die Augen dieser Frau wirkten anziehend, aber so kalt wie der Stahl einer Damaszenerklinge. Er hätte schwören können, dass er sie schon einmal gesehen hatte. Aber wo?
Doch bevor er sie danach fragen konnte, half sie ihm auf die Sprünge.
«Es ist einige Zeit vergangen, nicht wahr?»
«Wenn Ihr das sagt.» Laurenz beschloss, seine Überraschung herunterzuspielen und sich gelangweilt zu geben, auch wenn ihm das bei ihrem Anblick schwerfiel.
«Ihr scheint Euch keine besonderen Sorgen um Euren Ruf zu machen», brummte er. «Habt Ihr gar keine Angst, dass der Wirt dieses gastlichen Hauses davon erfährt, dass Ihr Euren Knecht in die Schankstube schickt, damit er Euch Männer auf die Kammer holt?»
Amüsiert lachte sie über seine Frage. Dabei hörte sie nicht auf, ihr Haar zu kämmen. Laurenz wurde allmählich wütend. Ihre ganze Haltung verriet ihm, dass seine Anwesenheit für sie keine größere Bedeutung hatte als die einer Magd, die das Bett aufschüttelte. Für wen hielt ihn dieses Weib? Einen Augenblick überlegte er, ob er ihren Hochmut nicht einfach damit bestrafen sollte, dass er schnurstracks den Raum verließ. Aber möglicherweise brachte er sich damit um eine vergnügliche Stunde.
Sein Entschluss zu bleiben wurde belohnt, als die junge Frau den Kamm beiseitelegte und ihm ein hinreißendes Lächeln schenkte.
«Wir sind uns in Mannheim begegnet, als du mit deinem Bruder und eurem Meister meinen Onkel besucht hast», klärte sie ihn kurzerhand auf.
Laurenz erinnerte sich nur dunkel an diesen Besuch. Damals hatte er nur Augen für Henrika gehabt und ihre Freundin nur am Rande wahrgenommen. In einem Veilchenfeld schenkte man Margeriten nun mal keine Beachtung. Vielleicht war das ein Fehler gewesen, dachte er, während er den schlanken Leib der jungen Frau betrachtete. Was sie zu bieten hatte, war durchaus ansprechend. Ihr Gesicht war zwar ein wenig zu spröde für seinen Geschmack, aber darüber ließ sich hinwegsehen. Die Margerite war aufgeblüht. Laurenz setzte ein gewinnendes Lächeln auf und neigte höflich den Kopf. «Aber natürlich, Ihr seid Jungfer Anna, Henrikas Freundin.»
Täuschte er sich, oder verdüsterte sich ihre Miene bei der Erwähnung von Henrika? Die junge Frau fixierte ihn mit einem Blick, in dem Misstrauen und Feindseligkeit sich die Waage hielten. Sie schien Henrika zu hassen, und er wollte erfahren, warum.
«Weißt du, wo Henrika ist?», fragte sie ihn prompt. «Hat sie bei euch in Straßburg Zuflucht gesucht?»
Laurenz stieß die Luft aus. Eine innere Stimme mahnte ihn, vorsichtig zu sein, doch wie so oft ignorierte er das. Nur Schwächlinge, die hinter jedem Baum einen Feind wähnten, ließen sich davon beeinflussen. In knappen Worten bestätigte er, dass Henrika seit einiger Zeit unter dem Schutz des Druckermeisters Carolus in Straßburg lebte und von ihm in die Kunst der Gazettenmacherei eingewiesen wurde.
«Dann hat sie sich also nun das Vertrauen deines Meisters erschlichen wie damals, als mein armer Onkel ihr auf den Leim ging.» Anna sah bestürzt aus, was ihre harten Züge ein wenig weicher machte. Laurenz spürte plötzlich ein heftiges Kribbeln in seiner Lendengegend. Er machte ein paar Schritte auf die junge Frau zu, die sich ihm in ihrem spitzenverzierten Nachtgewand so unverblümt zeigte. Sie sah aufregend aus.
Laurenz versuchte, sich Henrika in derselben Aufmachung vorzustellen: die Haare offen und glänzend frisiert, während das seidene Gewand in aufreizender Natürlichkeit über die Schultern rutschte.
Doch es gelang ihm nicht; wieder einmal entzog sie sich seiner Vorstellung. Sie, die ihn zurückgewiesen hatte und einfach davongelaufen war, schlief vermutlich in dieser Stunde den Schlaf der Selbstgerechten.
«Was wollt Ihr von Henrika?», fragte er nach einem Moment des Schweigens. Er hatte keine Lust mehr, mit dieser Frau artige Worte zu wechseln. Für Worte war Henrika zuständig, ihr bedeuteten sie etwas. Für ihn waren es nur Lettern, die einen Sinn ergaben, wenn er sie in der richtigen Weise auf die Druckerpresse schraubte. Sein Blick fiel auf das Bett, dessen Vorhänge einladend zurückgezogen worden waren und nun von einem leichten Luftzug bewegt wurden.
«Vermutlich hat Henrika deinem Meister nicht gebeichtet, dass sie aus Mannheim geflohen ist, weil sie im
Weitere Kostenlose Bücher