Die Meisterin der schwarzen Kunst
Meisterin der schwarzen Kunst machen will und nicht eine der langweiligen Töchter unserer Straßburger Zunftherrn.»
Doch Henrika fühlte sich von seinen Worten weder geehrt noch beruhigt. Zweifellos war Laurenz kein besonders tiefsinniger Mann, und wenn er einen Plan verfolgte, um an eine eigene Druckerpresse zu kommen, so hatte er diesen sicherlich nicht ohne fremde Hilfe ersonnen.
Irgendjemand lauerte hier in der Dunkelheit auf sie, das konnte sie spüren.
Gerade als sie etwas entgegnen wollte, ließ ein Schrei sie plötzlich zusammenzucken.
«Was war das?»
Laurenz hielt seine lodernde Fackel höher. Schritte polterten über das Pflaster. Auf der anderen Seite der Gasse, die sich in einem Gefälle abwärts bog, war ganz deutlich ein Licht zu sehen, das sich auf und ab bewegte. Jemand schwenkte eine Laterne.
«Ich denke, sie haben die kleine Wildkatze aufgespürt», sagte der Drucker. Es klang nervös. Henrika hätte ihn für seine Bemerkung ohrfeigen mögen, aber sie zwang sich, Ruhe zu bewahren. Wortlos ließ sie sich von Laurenz durch die Gasse führen. Ein sanftes Rauschen und die feuchte Luft verrieten ihr, dass sie sich ganz in der Nähe des Mains befanden. Unmittelbar vor ihr erhob sich die Silhouette eines steinernen Gebäudes, auf dem ein spitzer Dachreiter mit einer Wetterfahne thronte. Davor sah sie ein Gewirr von Fischernetzen, die an Pfählen zum Trocknen aufgehängt worden waren. Vermutlich war das Gebäude, dessen vorderer Teil auf die Uferböschung wies, eine Kapelle, errichtet, wo Handelsknechte, Hafenarbeiter und Fischer ihr frühmorgendliches Gebet sprachen.
Vor der Kapelle standen Herr de Bry und David. Die Männer kehrten Henrika und Laurenz den Rücken zu. Sie starrten ins Innere der alten Kapelle. De Bry hatte seinen ausladenden Federhut abgenommen und zerknautschte den teuren Filz mit beiden Händen.
Henrika brauchte nicht erst zu fragen, warum die beiden vor der Kapelle standen und kaum zu atmen wagten. Mit einem verzweifelten Aufschrei drängte sie sich an den Männern vorbei. Zunächst konnte sie nicht mehr als einen Umriss erkennen, doch als die Männer mit ihren Fackeln näher traten, sah sie, dass es tatsächlich Barbara war, die mit ausgestreckten Armen auf einem rechteckigen Sockel aus Sandstein lag. Achtlos zur Seite geschobene Kerzenhalter und eine Oblatenschale ließen erahnen, dass dieser als Altar verwendet wurde. In der Kapelle roch es nach welken Blumen, Moder und Tod.
Das Mädchen lag reglos da. Der dicke Zopf, den Henrika ihr in Straßburg so oft geflochten hatte, hatte sich gelöst; in wirren Strähnen fiel das Haar über den Rand des Sockels. Henrika bemerkte, dass aus einer Wunde am Kopf Blut auf die Steinplatten tropfte. Barbaras Hände waren gefaltet und bedeckten ihre Augen.
Fassungslos warf sich Henrika auf die Knie und nahm das Handgelenk des Kindes, um nach dem Puls zu tasten, so wie Ludwig es ihr beigebracht hatte. Dabei fiel ihr auf, dass Barbara vollkommen durchnässt war. Hatte jemand sie in den Main gestoßen? Aber warum lag sie dann hier, ganz allein an diesem düsteren Ort? Henrika spürte den kalten Boden nicht mehr unter ihren Knien. Mit Tränen in den Augen schmiegte sie sich an den leblosen Körper und versuchte sich verzweifelt an die Worte eines tröstenden Gebets zu erinnern.
«Sie ist tot, nicht wahr?» Davids Stimme klang von draußen sonderbar dumpf, als spräche er durch eine geschlossene Tür mit ihr. «Ich wusste gleich, als wir in die Kapelle sahen, dass sie nicht mehr lebt.»
De Bry schlug die Hand vor den Mund, um ein Schluchzen zu unterdrücken. Er sah aus, als kostete es ihn Mühe, aufrecht zu stehen.
Henrika gab David keine Antwort. Stattdessen streichelte sie das Handgelenk des Mädchens, während sich ihre Augen mit heißen Tränen füllten. Ihr Kopf war so leer wie an jenem Abend, als sie auf Barthels übel zugerichteten Leichnam gestoßen war. Sie war schuld. Sie brachte allen Menschen, die sich mit ihr einließen, Tod und Verderben. Mit Gewalt biss sie die Zähne zusammen, um ihre Verzweiflung nicht in die Nacht hinauszuschreien. Mechanisch rieb sie über die kalten, kleinen Hände, als versuchte sie diesen die Wärme des Lebens zurückzugeben. Keiner der drei Männer vor der Kapelle wagte es, sie davon abzuhalten.
«Sie wurde ertränkt, nicht wahr?», fragte David tonlos. Sein Blick fiel auf eine der langen Stangen, die neben den Fischernetzen lagen. Sie dienten dazu, kleinere Boote vom Anlegesteg abzustoßen, aber in
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