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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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außer David auch noch weitere Männer in das Gerangel ein, um Henrika beizustehen. Schmerzensschreie erklangen, als gegen Beine getreten und Finger gequetscht wurden. Henrika fand sich alsbald auf allen vieren wieder. Wie betäubt sah sie zu, wie einer der Büttel Barthels Knecht einen Kinnhaken versetzte und dann seinen Spieß ergriff. Er wollte dem Verdächtigen nur damit drohen, um seinen Wutausbruch zu beenden, doch dann tauchte Laurenz aus einem Winkel auf. Henrika stockte der Atem, als Laurenz einen irdenen Krug vom Schanktisch nahm und ihn mit voller Wucht auf den Kopf des am Boden liegenden Knechts schlug. Der Kopf des Mannes sackte zur Seite, sein Blick verschwamm. Dann rührte er sich nicht mehr.
    «Du Narr», fuhr der Büttel Laurenz an. Er zog seinen Spieß zurück und stieß die Spitze voller Zorn in den verschrammten Dielenboden. «Glaubst du, ich hätte deine Hilfe gebraucht, um mit dem verdammten Kerl fertig zu werden? Er lag doch bereits am Boden und wäre bestimmt so rasch nicht wieder aufgestanden!»
    «Sah mir aber ganz so aus», erwiderte Laurenz unbeeindruckt. Er hielt noch immer den Henkel des zerborstenen Krugs in der Hand. «Ihr habt zugelassen, dass dieser Kindsmörder sich auch noch auf meine Braut gestürzt hat, weil sie ihn belastete. Wollt Ihr mir nun einen Vorwurf daraus machen, dass ich den Mistkerl zur Hölle schickte?»
    Unter den Wirtshausbesuchern fand Laurenz’ Tat die Zustimmung, die er erwartet hatte. Allgemeiner Beifall erklang. Hände streckten sich ihm entgegen. Einige ältere Männer klopften ihm auf die Schulter und versicherten ihm, sie hätten in dieser Situation ähnlich gehandelt, um ihre Frauen zu beschützen.
    Nach Henrika, die mit blutigen Schrammen auf dem Boden hockte und ihre Kleider ordnete, schien kein Hahn mehr zu krähen. Doch sie war froh darüber. Sie war völlig erschöpft und verstört. Barthels Knecht hatte sie erkannt, und er hatte gedroht, sie zu verraten. Hatte Laurenz ihn deshalb erschlagen? Vermutlich. Sie glaubte ihm nicht, dass er sie nur hatte verteidigen wollen. Er hatte ihr geholfen, weil er sie noch brauchte. Als sie ihren Blick hob, bemerkte sie David. Der junge Drucker beobachtete sie und seinen Bruder, der sich von der Menge feiern ließ, mit zusammengepressten Lippen, doch er sagte kein einziges Wort. Mühsam rappelte sich Henrika auf und betastete vorsichtig ihren Oberarm. Die aufgeschürfte Haut brannte. Außerdem pochte es in ihren Schläfen gefährlich. Sie würde in dieser Nacht kein Auge zutun können, aber daran war nicht nur der Schmerz schuld, der sich über ihre Stirn ausbreitete. Der Schreck über den Angriff des Knechts und dessen abruptes Ende steckten ihr noch in allen Knochen, als sie sich an den umgestürzten Schemeln und den zerbrochenen Bechern vorbeibewegte. Es wurde Zeit, von hier zu verschwinden und nach Barbara zu sehen.
    Als sie sich noch einmal umwandte, schien es einen Moment, als wolle David ihr etwas sagen, doch dann wandte er sich ab. Seine ganze Haltung drückte Misstrauen aus. Das stimmte sie traurig, denn nach dem Erlebnis in der Kapelle hatte sie nicht damit gerechnet, dass er so gleichgültig sein konnte. Gern wäre sie noch einmal auf ihn zugegangen, um ihm zu sagen, dass sie Laurenz nicht als Bräutigam ansah. Sie wollte ihm erklären, dass sie seinem Bruder aus Gründen ausgeliefert war, die sie ihm noch nicht offenbaren durfte, und dass Laurenz ihr gedroht hatte, sie und die Gazette zu vernichten, falls sie es wagte, ihm Widerstand zu leisten.
    Konnte es möglich sein, dass Barthels Knecht gar nicht gelogen hatte?, schoss es ihr durch den Kopf. Ihre Beine zitterten so stark, dass sie die Tür wieder schloss und auf einen Schemel neben dem Ofen sank.
    Was war, wenn der Knecht doch die Wahrheit gesagt hatte und man ihn hinterrücks niedergeschlagen hatte, dann lief womöglich ein unbekannter Ränkeschmied frei in der Stadt herum. Vielleicht war er ganz in ihrer Nähe. Womöglich war Barbara noch immer in Lebensgefahr, auch wenn sich Henrika nicht erklären konnte, warum jemand ihr nach dem Leben trachten sollte.
    Henrika vernahm das Getöse in der Schankstube nur noch schwach, als hätte jemand zwischen ihr und der lärmenden Menge eine schwere Tür zugeworfen. Der Gedanke an eine Verschwörung, so abwegig er auch schien, machte Henrika Angst. Vor weniger als einer Stunde hätte sie nie damit gerechnet, Barthels früherem Knecht hier in Frankfurt als Mörder eines Mädchens gegenüberzustehen, das ihrer

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