Die Meisterin der schwarzen Kunst
Obhut anvertraut gewesen war.
Eine Weile blieb sie sitzen und starrte vor sich hin. Erst als sie ihre Gedanken wieder ein wenig geordnet hatte, rief sie den Wirt herbei und stellte ihm einige Fragen. Dass David in der Nähe war und die Ohren spitzte, ließ sich nicht umgehen, doch es störte sie nicht besonders. Er konnte ruhig hören, worüber sie sich Sorgen machte.
«Seht Euch doch nur meinen Boden an», jammerte der dicke Schankwirt, während er sich mit einem Lappen den Schweiß von der Stirn wischte.
«Meine arme Tochter wird sich bis spät in die Nacht die Finger wund scheuern müssen, bis das ganze Blut abgewaschen ist. Ich begreife nicht, warum dieser Kerl ausgerechnet in meinem Schankraum verhört werden musste. Als ob es in Frankfurt weder Kerker noch Schergenstube geben würde. Aber mich ließen die Büttel ja das Maul halten. Ich durfte nur zusehen, wie sie auf ihn eingedroschen haben.»
Bevor eine neue Flutwelle von Klagen über Henrika niedergehen konnte, sagte sie: «Aber wisst Ihr denn etwas über den Mann? Er muss doch die letzten Tage im Wirtshaus ein und aus gegangen sein.»
«Glaubt Ihr, dass ich zur Messezeit alle Gäste in Augenschein nehmen kann? Ich habe weiß Gott genug zu tun. Fragt meine Frau. Sie wird dem hageren Tunichtgut einen Platz in der Gesindestube zugewiesen haben. Den Lohn lässt sie sich im Voraus geben, das habe ich ihr eingebläut.» Er verzog das Gesicht zu einem Grinsen. «Selbstverständlich galt das nicht für seine Herrin. Ein Prachtweib, sage ich Euch. Die hatte keinen Grund, sich zu beschweren, denn sie bekam unser vornehmstes Zimmer.»
Henrika sprang so hastig vom Hocker auf, dass der Wirt erschrocken zusammenfuhr. «Wollt Ihr damit sagen, dass der Mann nicht allein hier abgestiegen ist?», hakte sie nach. «Er begleitete eine Frau?»
«Was denn sonst?» Der Wirt wandte sich wieder dem Treiben am Schanktisch zu und schüttelte erbost den Kopf, als ein üppig gebautes Mädchen, vermutlich seine Tochter, von einem älteren Mann in beide Wangen gekniffen wurde. Das Mädchen quiekte, schien aber Gefallen daran zu finden. Das peinliche Verhör und das rasche Ende des vermeintlichen Mörders hatten das Blut der Wirtshausbesucher zum Kochen gebracht. Nun herrschte allerorts Erleichterung, die übermütig ausgelebt wurde.
«Ich will Euch nicht aufhalten, Jungfer.» Der Wirt warf Henrika einen Blick zu, der ihr klarmachte, dass er keine Lust mehr hatte, sich weiter zu unterhalten.
«Aber das tut Ihr doch gar nicht, Meister.» Ehe der Mann sich abwenden konnte, drückte Henrika ihm einen Silbergroschen in die Hand und schlug unschuldig die Augen nieder. «Ihr hattet heute wahrhaftig eine Menge Unannehmlichkeiten zu verdauen», sagte sie. «Eine kleine Entschädigung dürft Ihr da nicht ablehnen.»
Der Wirt nahm das Geld und steckte es eilig ein.
«Schwierigkeiten mit dem Gesinde hat doch jeder», sagte er schließlich. «Manche Mägde lassen sich von herumziehenden Soldaten oder Handwerksburschen Bälger machen, während die Kerle das Handgeld nehmen und davonlaufen, sobald ihnen zu Hause etwas nicht in den Kram passt. Sie enden nach Scharmützeln mit zerschossenen Leibern auf dem Schlachtfeld oder nach Wirtshausschlägereien mit gespaltenem Schädel. Das Mädchen, das bei uns im Haus wohnte, hatte bestimmt keinen Schimmer davon, was ihr Diener heimlich trieb, nachdem sie sich zum Schlafen zurückgezogen hatte. Vermutlich kann sie noch froh sein, dass er nicht im Suff über sie hergefallen ist.»
Henrika hatte Grund, dies zu bezweifeln, aber sie hütete sich, mit dem Schankwirt zu diskutieren. Stattdessen bat sie ihn, ihr die Kammer zu zeigen, welche die Frau gemietet hatte.
«Ich möchte nicht, dass Ihr meine Gäste belästigt», mahnte der Mann mürrisch, kam Henrikas Bitte jedoch nach.
Wenige Augenblicke später stand sie in dem schmalen Durchgang zum Dachboden, nicht weit von der Tür des Zimmers entfernt. Zögernd blieb sie stehen und wartete auf David, der es sich nicht hatte nehmen lassen, ihr die Treppe hinaufzufolgen. Der junge Mann musste den Kopf einziehen, um sich nicht an den niedrigen Balken zu stoßen. Es roch unangenehm nach ranzigem Fett und verfaultem Obst. Henrika wunderte sich, wie der Wirt es schaffte, seinen massigen Körper durch diesen engen Flur zu wuchten.
«Darf ich fragen, warum du mir hinterherläufst wie ein Kätzchen?», fragte sie leise, als sie David hinter sich hörte. «Ich brauche niemanden, der auf mich aufpasst.»
«Das
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