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Die Meisterin der schwarzen Kunst

Die Meisterin der schwarzen Kunst

Titel: Die Meisterin der schwarzen Kunst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guido Dieckmann
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freue mich für euch.»
    Henrika rang sich ein gequältes Lächeln ab. Noch vor wenigen Wochen hätte sie Carolus voller Dankbarkeit die Hand geküsst. Er vertraute ihr sein Lebenswerk an, das war ohne Zweifel ein schönes Gefühl. Nach all der Unruhe, die sie in sein Haus und seine Familie gebracht hatte, war es sein Wunsch, dass sie seine Arbeit weiterführte. Doch das setzte voraus, dass sie sich irgendwie mit Laurenz einigte. Weigerte sie sich, ihm zu Diensten zu sein, blieb ihr nichts weiter übrig, als zu fliehen, denn Carolus konnte einer entlaufenen Dienstmagd, die noch dazu des Mordes an ihrem Herrn und Gönner verdächtigt wurde, niemals die Mitarbeit an der Relation gestatten. Er wäre gezwungen, sie den Behörden zu übergeben oder gleich nach Mannheim ausliefern zu lassen. Vermutlich stand Anna dort inzwischen auf gutem Fuß mit sämtlichen Leuten, die in der Stadt und in der Festung etwas zu sagen hatten.
    «Wann wollt ihr denn heiraten?» Carolus lächelte gutmütig. «Da weder Laurenz noch du Eltern habt, werden selbstverständlich meine Frau und ich ein Traufest für euch ausrichten.»
    Henrika dachte an David und daran, wie wundervoll sich seine Hände auf ihrer Haut angefühlt hatten. Sie konnte nur beten, dass Carolus nicht bemerkte, wie sterbenselend ihr zumute war. Wie, beim Blut Christi, kam sie aus dieser Sache nur heil heraus? Sie konnte auf der Stelle die Stadt verlassen und nie wieder zurückkehren. Sie würden sie gewiss suchen, vielleicht sogar ein paar Tage lang. Aber dann mussten sie nach Straßburg reisen. Und das Reich war groß. Sehr groß. Wie man hörte, wuchs der Konflikt zwischen Kaiser Rudolf, seinem Bruder, Erzherzog Matthias und den protestantischen Landesfürsten. Der Geruch eines Krieges lag in der Luft. Vielleicht war dies die letzte günstige Gelegenheit, um unterzutauchen und seine Spuren zu verwischen.
    «Laurenz …», stammelte sie schließlich. «Ihr solltet ihn fragen, Meister. Vermutlich hat er schon Pläne geschmiedet.»

    Eine Woche später hatte sich Barbara so weit erholt, dass sie ein Schiff besteigen und die Heimreise antreten konnten. Henrika war erleichtert, denn obwohl Meister Carolus ihr verziehen hatte, fühlte sie sich noch immer schuldig.
    Barbaras Erinnerung war nicht wiedergekehrt. Zweimal hatte Henrika versucht, ihr mit Hilfe ihres Liedes das Gedächtnis zurückzugeben, doch es war umsonst gewesen. Sie konnte die verhängnisvolle Gabe einfach nicht benutzen, so oft sie das wollte. Sie hatte abgewartet, während der Duft des Frühlings und der Lärm der Buchgasse durch das offene Fenster gedrungen waren, aber nichts war geschehen.
    Weder Meister Carolus noch die anderen im Haus des Herrn de Bry glaubten noch an eine Gefahr für das Mädchen, doch Henrika spürte, dass der Druckermeister ihre Entscheidung, bei Barbara zu bleiben, guthieß.
    Nach ihrer Ankunft in Straßburg begab sich Henrika sogleich zu Emma und Ludwig, die erleichtert waren, sie wohlbehalten wiederzusehen.
    «Am Tag deiner Abreise bekam Ludwig Besuch von einem vornehm gekleideten Herrn», eröffnete ihr Emma, während sie einen Topf mit Brühe auf den Herd setzte. «Er kam eigens, um dich zu sehen.»
    «War es der Flame, den Ludwig damals im Haus des Vogts getroffen hatte?»
    Emma nickte. «Er behauptete, einen Brief von dir erhalten zu haben, und war sehr enttäuscht, als ich ihm sagen musste, dass du nicht in der Stadt bist. Leider zwangen ihn Verpflichtungen zur sofortigen Abreise, aber er bat mich, dir auszurichten, dass er wieder nach Straßburg kommen würde. Eines Tages.»
    Henrikas Gedanken wirbelten in ihrem Kopf umher wie Laubblätter im Herbst. War es nicht unglaublich, wie launenhaft das Schicksal mit den Menschen umsprang?

    Am nächsten Tag begab sich Henrika bereits im Morgengrauen zur Druckerei. Dort wurde sie stürmisch begrüßt. Der bucklige Zeitungskrämer Adam, der sich einen Becher Buttermilch schmecken ließ, strahlte über das ganze Gesicht. «Habt Ihr es schon gehört, Jungfer?», rief er ihr winkend zu.
    Henrika ging zu ihm hinüber und hob fragend die Schultern. «Was ist denn geschehen, Adam?»
    «Da fragt Ihr noch? Die Straßburger reden von nichts anderem mehr! Vier eurer Kuriere sind wohlbehalten zurückgekehrt. Sagt selbst, Jungfer, ist das nicht ein Wunder? Sie ritten durch das Kronenburgertor, während die Glocke von St. Ludwig noch schlug. Alle vier zur gleichen Zeit.»
    Henrika musste ihm beipflichten. Das war in der Tat eine gute Nachricht. Als

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