Die Meisterin der schwarzen Kunst
dass der Kerl die Relation kontrolliert.»
Der Kurier spuckte verächtlich aus. «Du lügst. Carolus ist ein Ehrenmann und nicht käuflich.»
«Mag sein. Aber wenn du ausbleibst, muss der Meister jemanden beauftragen, sich auf die Suche nach dem verschollenen Boten zu machen. Ich werde mich anbieten, weil mich in Kürze dringende Geschäfte nach Flandern führen werden. Carolus wird mir dankbar sein, wenn er seine Nachrichten bekommt. Er wird mir sogar mit einem schnellen Reitpferd und der besten Ausrüstung unter die Arme greifen, damit ich mein Ziel bald erreiche.»
«Du Hundesohn willst deinen Meister erst schröpfen, dann ruinieren! Vermutlich willst du dir sein Privileg unter den Nagel reißen. Und mich versuchst du mit jämmerlichen zehn Gulden abzuspeisen? Daraus wird nichts. Bin mal gespannt, was der Drucker und dein Bruder zu deinen Plänen sagen.»
Er stieß Laurenz zur Seite und schlug den Weg zur Straße ein. Doch er kam nicht weit. Noch ehe er begriff, in welcher Gefahr er schwebte, hatte Laurenz ihm auch schon die Schlinge um den Hals geworfen.
Der Kurier röchelte. Sein starrer Blick verfing sich im Leeren, wurde glasig, bis die Augen schließlich aus ihren Höhlen traten. Die Laterne glitt ihm aus der Hand, schlug auf einen Stein und rollte zur Seite.
Mit weit aufgerissenem Mund sank der Mann auf die Knie, schien aber noch nicht bereit, sich seinem Schicksal zu ergeben. Verzweifelt versuchte er, seine Finger unter die Schlinge zu schieben. Laurenz, der selbst völlig außer Atem war, beschloss, die Schlinge ein wenig zu lockern; sein Blut war in Wallung geraten. Nie zuvor in seinem Leben hatte er ein solches Gefühl von Macht verspürt. Es war wie ein schleichendes Gift, das durch seine Adern strömte und an seinen Eingeweiden fraß, gleichzeitig jedoch so berauschend wie schwerer Wein.
Seine Eltern waren gestorben, weil sie hilflos und schwach gewesen waren wie dieser erbärmliche Kurierreiter, der hier vor ihm Staub schluckte.
Laurenz schnaubte. Sein Auftrag und die Waffe hatten dem Mann das Gefühl vermittelt, Laurenz überlegen zu sein. Welch ein Irrtum. Niemand war ihm überlegen. Er gab dem Kurier einen Moment Zeit und ließ sogar zu, dass er mit krampfartigen Bewegungen nach seiner Pistole tastete. Offensichtlich waren seine Sinne noch nicht völlig geschwunden. Das war gut.
Laurenz beugte sich über den Wehrlosen und entledigte ihn seiner Waffe. Es war eine hübsche Pistole, handlicher als jede Muskete. Er spielte mit dem Gedanken, sie mit Pulver und einer Kugel zu laden und dem Kurierreiter ein Loch in den Schädel zu jagen. Aber er verwarf den Einfall. Schließlich war er kein gemeiner Straßenräuber. Er handelte im Auftrag einer wunderbaren Frau, die er nicht enttäuschen durfte, indem er von ihrem Plan abwich.
«Warum … tust du das?», hörte er auf einmal die erstickte Stimme des Kurierreiters. «Gnade … Barmherziger Gott, ich will nicht so … sterben!»
Laurenz nickte, er konnte sich vorstellen, was in dem Todgeweihten vorging. «Es grämt dich, dass du deinen Auftrag nicht beenden kannst, nicht wahr?», fragte er. «Weil niemals jemand erfahren wird, was aus dir und der Depesche geworden ist, die du in Antwerpen in Empfang genommen hast. So kurz vor dem Ziel zu versagen, ist bitter, da stimme ich dir zu. Aber glaubst du, du wärest der Einzige, der mit dieser Erkenntnis zur Hölle fahren muss?» Er hielt kurz inne, um Atem zu holen, dann fügte er hinzu: «Weißt du, dass mein Vater ganz in der Nähe ins Jenseits befördert wurde? Nein, natürlich nicht, woher solltest du auch? Er war Kaufmann, kam von einer Handelsreise zurück und hat die rettenden Stadtmauern schon vor sich gesehen. Im Gegensatz zu dir ließ man ihm und meiner Mutter nicht einmal Zeit für ein letztes Gebet.» Er blickte zum Himmel und zuckte dann beinahe niedergeschlagen mit den Schultern. «Ich wünschte, ich könnte dir einen Ausweg aus der Misere nennen, aber leider fällt mir keiner ein.»
«Hilfe … nein», keuchte der Kurier, als sich Laurenz wiederum über ihn beugte. Doch seine Worte verhallten.
Laurenz zog die Schlinge mit so viel Kraft zusammen, dass der Kehlkopf seines Opfers wie eine reife Frucht zerquetschte, und er ließ nicht eher von ihm ab, bis der letzte Rest Leben aus dem jungen Mann gewichen war.
Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass der Kurier tot war, schleppte Laurenz den Leichnam über der Schulter den Pfad hinauf, bis er wieder auf die Lichtung mit dem
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